Sonntag, 1. August 2010

57) Das mühlhäuser Reichsrechtsbuch

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... ES BEGINNT DAS RECHTSBUCH NACH REICHES RECHT ..



.. so lautete die Überschrift über dem ältesten Stadtrechtsbuch in deutscher Sprache ..., dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ...






Geschrieben wurde es Anfang des 13. Jahrhunderts ..., vielleicht noch vor 1220 ... und war damit wahrscheinlich noch älter als der bekannte Sachsenspiegel des Eike von Repgow ..
Überliefert in zwei Abschriften in den Archiven der Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, gehört das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch zu den bedeutenden deutschsprachigen Gesetzeswerken des Mittelalters.


1923 hatte Professor Herbert Meyer die Übersetzung aus der altmitteldeutschen Sprache vorgenommen und veröffentlicht.


Später gab es dann noch zahlreiche Vermutungen über den Verfasser, die aber nie eindeutig geklärt werden konnten.

Vermutlich war es aber nicht ein einfacher, wenn auch gelehrter Gerichtsschreiber, sondern sehr wahrscheinlich doch ein hochstehender in Mühlhausen residierender königlicher Ministeriale, der hier wahrscheinlich im Namen des Königs Recht sprach.



Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch umfasste sowohl das Stafrecht, wie auch das Wirtschafts-, Erbschafts-und Familienrecht, sowie das Flur- und Bürgerrecht; galt also damals für alle Bereiche des Lebens in der Stadt des Königs.


Auch später, in der Freien Reichsstadt, dürfte das Rechtsbuch noch als Rechtsgrundlage gedient haben und war auch für Nordhausen und Eschwege - den ehemaligen Königsstädten - noch im 14. Jahrhundert von besonderer Bedeutung.




Das Recht in der Stadt des Königs, der ja hier eine bedeutende Pfalz hatte, wurde vom königlichen Präfekten oder Schultheiß gesprochen; oft ein hochrangiger Adliger, der im Dienste des Königs stand.

Ihm unterstanden die übrigen königlichen Ministerialen, die in der Stadt und im Reichsgutbezirk ihre Lehen hatten, welche später als erbliches Eigentum die Grundlage der Geschlechter bildeten.
Mit dem Rechtsbuch sollte eine Grundlage für gleiches Recht in der Stadt geschaffen werden. Darum heißt es hier auch

".. denn wir alle heißen Nachbarn, hier in dieser Stadt ..."

Das erste Kapitel befasst sich dann auch gleich mit dem schwersten Verbrechen ..., mit Mord und Totschlag:


"Ist es, daß ein Mensch den andern tötet, innerhalb dieses Weichbildes hier zu Mühlhausen, ..... so hat er seinen Hals verwirkt"


Nun scheint das Gesetz auch nicht immer gegolten zu haben, denn die Chronik berichtet später: "Im Jahre 1338 erschlugen die von Muhlhausenwie auch andere Stette in Deutzschlandt alle ihre Juden"

Es war also nicht weit her.., mit dem gleichen Recht für alle ...


Auch für Überfälle mit Verwundungen gab es Festlegungen:

"Verwundet ein Mann den anderen so beschaffener Wunde, daß die Acht darüber ergehen soll, ..... so soll man ihm zu Recht die Hand abschlagen"

Starb der Verwundete und leugnete der Beklagte die Tat, konnte ein Kläger im Zweikampf das Recht durchsetzen.., also eine Art Gottesurteil .., das eigentlich damals schon untersagt war..

Auch das Recht der eigenen Wohnung wurde damals schon geregelt, ein Recht, das schon bei den Germanen als Herdrecht bestand:

"Hiernach ist geschrieben, daß ein jeglicher Mann hier zu Mühlhausen in des Reiches Stadt soll Friede haben in seinem Haus ... wenn irgend jemand den da heimsucht, sei es Tag oder Nacht, mit unrechter Gewalt ....so geht es ihm an seinen Hals..."

Auch bei Diebstahl wurde damals noch das Gottesurteil angewandt:

"Sagt aber der Dieb, daß man ihm unrecht tue ... soll man ein Eisen heiß machen ... das soll er tragen drei Schritte ... hat er sich verbrannt, so soll er hängen ..."

(.. wobei also die Falschaussage vor dem Richter erst die höhere Strafe brachte ... denn sonst lag je nach Schwere der Tat die Strafe zwischen Hand abschlagen bis zum Hängen ..)



Obwohl die Frau damals nicht das gleiche Recht wie der Mann hatte, gab es bei Notzucht - also Vergewaltigung - auch hohe Strafen:

"Liegt ein Mann bei einer Weibsperson ohne ihre Zustimmung und gegen ihren Willen ... so soll sie sich wehren mit Geschrei ... und wird der Mann ergriffen bei frischer Tat ... so geht es ihm an den Hals ..."

Für Zeugen oderMitwohner, welche die Not der Frau "verliegen" - also so tun als ob sie nichts gehört haben - "... denen soll man wallendes Blei in ihre Ohren gießen ..." .. eine Maßnahme, die wohl nicht nur zu Hörschäden führte .. außerdem sollte man "... die Hofstätte, wo es geschah, niederbrechen ... und es soll nimmermehr darauf gebauet werden .."

Hier ergibt sich ein wahrscheinlicher Zusammenhang mit der Sage über die Zerstörung der Reichsburg.

So soll hier der Ritter von Hagen die Tochter eines mühlhäuser Goldschmieds auf die Burg entführt und geschändet haben ... und daraufhin stürmten die Bürger die Burg und zerstörten sie auf den Grund ... und nimmemehr sollte auf der Burgstätte gebaut werden ...
Hatte man 1256 die Paragraphen des Rechtsbuches als Rechtfertigung für die Zerstörung der Burg genutzt ... oder entstand die Sage dann wohl doch erst später ...?? Aber es wird ja wohl eher der rechtsfreie Raum in der kaiserlosen Zeit - dem Interregnum - gewesen sein, der zur Verselbstädigung der Ministerialen und der Bürger führte.


Natürlich durfte im Rechtsbuch auch auch die Aufnahme als Bürger der Stadt nicht fehlen. So heißt es im Kapitel 38.
"..Wie einer Bürger werden soll, ist hiernach beschrieben .."
Hier wurde festgelegt, daß ein Zugezogner nach vier Wochen entscheiden mußte, ob er Gast oder Bürger sein wolle.
Wenn er dann ein Jahr und einen Tag in der Stadt wohnte, ohne daß ihn jemand als Eigentum beanspruchte ".. so soll man ihn halten für einen freien Bürger .."
Nachdem dann der neue Bürger dem Richter, dem Rat und der Stadt, sowie des Reiches Hofmann und dem Kirchner die Bannpfennige gezahlt hatte, mußte er vor dem Rat schwören

".. dem Reiche die Huld und den Bürgern Treue und Wahrheit, diese Stadt zu behüten nach seinem besten Vermögen,mit seinem Verstand und seinen Gedanken, vor jedermann, außer vor dem Reich allein, daß ihm Gott so helfe und die Heiligen ..."


Neben dem hohen Gericht des Schultheißen, gab es noch das Heimbürgengericht der Bürger, das sich mit Flurstreitigkeiten, Felddiebstahl usw. beschäftigte.So heißt es im Kapitel 34:

".. Hiernach ist geschrieben, daß wir Bürger zu Mühlhausen sollen einsetzen alle Jahre einen Heimbürgen .... und die Gerichtsversammlung soll man von Rechts wegen abhalten unter Sankt Kilians Linde .. und dahin sollen alle die kommen, die etwas zu fordern und zu klagen haben ..."
Die alte Gerichtslinde könnte sehr wohl schon früher eine besondere Bedeutung für die Marktsiedlung von Sankt Kiliani gehabt haben, war diese doch bereits vor der Altstadt entstanden.



Übrigens ...,
konnten hier natürlich nur einige Bruchstücke aus den 49 Kapiteln des Mühlhäuser Reichsrechtsbuches aufgezeigt werden ..., aber interessant ist es schon, wie in unserer alten Stadt früher Recht gesprochen wurde ...


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