Freitag, 30. Juli 2010

56) Mundart und Brauchtum in alter Zeit

Mundart und Brauchtum ..


- eigentlich zwei Begriffe, die heute bei vielen in Vergessenheit geraten sind ...

Na ja ..., auf der Wiesn kommen auch die schönen und Reichen schon mal in Lederhose und Dirndl ... und Bayern und Schwaben können sowieso alles .., außer Hochdeutsch ... aber ansonsten sind Events und Mega-Partys, Fun und Gig´s angesagt ...

... und Mühlhausen ..., spricht man hier noch Mundart und was macht das alte Brauchtum ...??



Schon im Mittelalter konnte man die Trennung zwischen den Niederdeutschen, Mitteldeutschen und Oberdeutschen Sprachen feststellen, die sich aus den Sprachgemeinschaften der früheren Stämme ergaben.

Eine eigentliche Schriftsprache gab es ja noch nicht, denn damals wurde ja überwiegend Latein geschrieben.





Da war es schon ein Novum, als um 1220 das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch als erstes Stadtrechtsbuch in deutscher Sprache verfasst wurde.
Nach den Sprachforschern handelte es sich hier um eine frühe Form des mitteldeutsch-thüringschen Sprachgebrauchs, der für Mühlhausen typische Eelemente enthielt.
Hier als Bespiel der Anfang des ersten Artikels:
".. Is daz ein mensci diz andiri totit ... he heit sinen hals virworth .."
(.. Ist es, daß ein Mensch den andern tötet ... er hat seinen Hals verwirkt ..)



Wie im übrigen Deutschland wirkten sich neben den stammes-geschichtlichen Entwicklungen, auch die politischen Enwicklungen auf die Sprache und Mundart in Nordthüringen aus.
So können sowohl für das mühlhäuser Gebiet, wie für das Eichsfeld, die Vogtei und die übrigen thüringer Gebiete teils erhebliche Abweichungen in der Mundart festgestellt werden.

Nachfolgend ein paar Ausschnitte aus dem mühlhäuser Mundartschrifttum, das besonders vom Mundartdichter Georg Wolff (1828 - 1919) geprägt wurde und wo in seinen Gedichten auch oft das Brauchtum in der alten Zeit beschrieben wurde.
Ein Gang durch die Jahreszeiten, mit den hübschen Bildern von Ludwig Richter (1803 - 84) und Ausschnitten aus den Mundartgedichten, soll etwas aus dieser Zeit wieder lebendig machen.

".. Bie scharfen Ostwoind de Schnoiflocken trieben,
In dr Schtobben dr Ufen äs ieszackenkaalt,
Do sitztbie gefrurenen Fansterschieben,
En ormer Döiwel, schwach, krank un aalt.
An Galle fahlts, im Holz sich ze hullen,
Un ach.., wie nütig wörr hie en Füer,
Jedach Briketts, suwie ai de Kullen,
Sin in d´r Wohrheit jitzt gor ze tüer ..."




".. Me woinert sich, wie indr Wöinterschziet,
Su en ohrmer Vail kann gelabe,
Dahr kann gefliege war weiß wie wiet,
Bis ha Mainschen fingt, vun dahn ha wahs kriet,
Dann de merschten wunn am nischt gahbe,
Ha hat kenn Hißchen, ha hätt kenn Bett,
Un keiner es, dahr en ze frassen gät .."

... und nicht nur die Vögel, auch die Menschen litten oft unter dem Winter .. und oft mußten selbst die Kinder in den nahen Stadtwald zum Brennholz sammeln gehen ...



.. Da war dann der Frühling doppelt willkommen, wie es in einem weiteren Gedicht heißt:
".. Durt schnaabeln sich en Paarchen wisse Tuuben,
Un en verliebter Schpatz sitzt ai d´rbie,
Ich sitze in dr Schtobbn, ha dn Schnuben,
Un kann nich us dn Aiwen raacht gesieh.
Nu macht dr Buur sich wedder an dn Acker,
Huch in dr Luft, dar kemmt en Stork geflain,
Dr Buur dar denkt, ichkenne dich, du Racker,
Dann Söbbne ha ich nun schun gruß gezain ..."


Nun ist zwar der Klapperstorch nicht mehr so fleißig wie früher,
aber ein alter Brauch hat sich bis heute in Mühlhausen gehalten.
Alljährlich gibt es zum Gründonnerstag überall Brezeln zu kaufen und zwar nicht die süddeutsche Laugenbrezn, sondern schöne süße und manchmal auch noch mit Zuckerguss.
Und jedes Kind muß unbedingt so eine Brezel haben und freut sich über den alten Spruch:
".. Heut ist der grüne Donnerstag, der sogenannte Brezeltag,
drum schenk ich dir ein Brezelein, damit du sollt kein Esel sein ..."

Also irgendwie hat die Brezel am Gründonnerstag etwas mit dem Ende der Fastenzeit zu tun ... und andere wollen wissen, das es sogar ein alter germanischer Brauch war .. aber haben die schon Brezeln gegessen ..???

Mit der ersten Eisenbahnstrecke Gotha - Mühlhausen -Leinefelde im Jahre 1870 ging auch die Zeit der Wanderburschen langsam zu Ende.

Hier ein Gedicht von einer Fahrt nach Erfurt:
" .. Am Mittwochen froiwe, do zogk ich mich ahn,
Un gung in dr Schtaadt an de Isenbahn,
Do war uch abber en gefaarlich Gedränge,
Von Mainschen, me kunn sich nich imgewänge,
Jitzt hott ich de Kuarten, nun flink in dn Wain,
dr Schaffner dar pfüff, furt sin me geflain,
Un koamen, kumt dahs mes uns raacht versahn,
Schun ds Morgens um sebbne zu Arfurt ahn .."

Der Sommer war für die Städter die Zeit, wo man sich in den Gärten rings um die Stadt erholte.., wobei es trotzdem genug Arbeit für alle gab.
So schrieb auch Georg Wolff:
".. De zwanzger Johre waren schtille,
D´r Börger boibte wie d´r Buur,
Sin Fald, do gabs in Hüll un Fülle,
Väl Korn un Weizen in d´r Flur.






Nachdem 1614 das Brunnenhaus an der Popperöder Quelle gebaut wurde, fanden hier alljährlich die Brunnenfeste der Schüler statt. Auch hierzu ein kleiner Ausschnitt:
".. Im Born versenkt wärd mancher Blumenstruß,
Alljährlich hie us lieben Kingerhängen,
Jedach ich wieß, d´r Quall blibbtsicher uus,
Wann unse Klenn ehr Opfer nich mie brängen .."


Und in einem anderen Brunnenfestgedicht heißt es:
".. De Ziet vergitt mät Assen un mät Trinken,
De Sunne fängt schun saachte an zu sinken,
Baal bricht me uff,
De Fraiwe merkt bim Heimeginn d´n Schaden,
Ehr Mann hät ganz bedenklich scheib geladen,
Daas macht d´r Suff ..."

Das mühlhäuser Brunnenfest wurde immer wieder mal totgesagt, aber auch heute noch feiert jedes Jahr die Nikolaischule und die Martinischule abwechselnd das schöne alte Fest an der schönen alten Quelle.


Na ja ... und gefeiert wurde auch früher schon gerne ...
So die zwölf verschiedenen Kirchweihfeiern, die dann Ende des 19.Jahrhunderts zur mühlhäuser Kirmes zusammen gefasst wurde.
Dafür feiern die Mühlhäuser die größte Stadtkirmes in Deutschland dann aber auch eine ganze Woche lang.
Wie schrieb Georg Wolff ...??
".. Zwöi Faste, dahs ichs fröi geschtiehe,
Wu sich su mancher gab d´n Rast,
Dahs war, ich kunns uch nich verschwiehe,
de Kermse un dasSchlachtefast ..."

Im Spätherbst und Winter war dann die Zeit, wo das "Schwienchen", das viele Bürger im Stall hinterm Haus hielten, dran glauben mußte ... und so mancher Handwerker, der im Winter keine Arbeit fand, ging "Hausschlachten".
".. Dann wißt ih wie´s de Manner machten,
Um zu verdien d´s liebe Bruut,
Se gungen Hus fer Hus un schlachten,
Un stungen sich dorbie ganz gut ...
Do gab´s ze trinken un ze assen,
De Matzker hann je meistens Dorscht,
Un d´s Obbts, baal hätt ich daas vergassen,
Broocht jeder heim `ne Broteworscht ..."




Den Jahreslauf durch die mühlhäuser Mundart soll der "Sylvasterobbt" von Georg Wolff beschließen:
".. He wöinsch ich allen lieben guden Fringen,
Gesoindheit, Nahrung, suwie ei Humor,
Dach gilt min Ruf ver allen annern Dingen,
Müllhusen .. Proost ..! Un Prost daas noiwe Johr ..!! .."





... Übrigens ...,
Smiley meinte, das mit dem neuen Jahr hätte ja eigentlich noch Zeit .., schließlich geht ja gerade mal der Juli zu Ende ...
... aber es passte eben so schön in den Mundart-Jahresablauf ..., der hoffentlich auch wieder eingigen Lesern Spaß gemacht hat ...

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