Mittwoch, 29. Dezember 2010

71) Weihnachtszeiten (2)

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... und hier wie von Smiley versprochen ...,
der zweite Teil von Weihnachtszeiten .. und zwar für die letzten hundert Jahre ..



Um 1900 konnte Weihnachten in den meisten Familien noch fröhlich gefeiert werden.
Die Stadt hatte sich von der Ackerbürgerstadt zu einer kleinen Industriestadt entwickelt und neben dem wohlhabenden Bürgertum entstand eine selbstbewußte Arbeiterschicht, die ebenfalls einen gewissen Wohlstand aufweisen konnte.
Nach der Volkszählung vom 1.12.1900 hatte Mühlhausen 33.428 Einwohner. Die Zahl der Einwohner hatte sich also gegenüber 1850 fast verdreifacht.




Jetzt wurde in vielen Familien der Adventskalender mode, der anfangs allerdings nur mit bunten Bildern hinter den Festern versehen war.
Das Lied.. "..Morgen Kinder wird´s was geben .." stimmte schon mal auf das Weihnachtsfest ein.
Der strenge Winter und die reichlichen Schneefälle beeinträchtigten laut Chronik die Waldarbeiten, aber Weihnachtsbäume gab es trotzdem zu kaufen.
In den Folgejahren erfolgte eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und in den neuen Läden am Steinweg wurde jetzt die vielfältigsten Waren angeboten.

Weihnachten wurde meist mit der ganzen Familie gefeiert, aber 1914 war es dann erst einmal vorbei mit der Familienidylle .., der erste Weltkrieg begann und viele Familienväter wurden eingezogen.
Die Soldaten der neuen Wendewehrkaserne kamen an die Westfront. Bis Jahresende kamen dann bereits 350 Verwundete wieder zurück.
Auch in den Folgejahren wurden tausende Mühlhäuser eingezogen und hunderte Verwundete wurden dann in den verschiedenen Hilfslazaretten der Stadt untergebracht, wo sie zu Weihnachten vom Hausfrauenbund kleine Geschenke erhielten.


An den Fronten im Osten und Westen wurde zwar Weihnachten "gefeiert", aber "Frieden auf Erden .." sah irgendwie anders aus ..
Auch im ersten Weltkrieg gab es schon Feldpostpäckchen, aber viele Familien hatten nur wenig, was sie an die Front schicken konnten.
Ein besonderes Erlebnis hatten mühlhäuser Soldaten zu Weihnachten 1914 in Flandern.. Am Heiligabend wurde auf beiden Seiten Kerzen in den Schützengräben aufgestellt und nach kurzem zögern gingen deutsche und englische Soldaten aufeinander zu und reichten sich die Hände.., aber dann ging es wieder zurück und es wurde wieder geschossen..


Den beliebten Lebkuchenweihnachtsmann gab es dann auch bald nicht mehr und in den letzten Kriegsjahren mußten viele Mütter mit ihren Kindern hungern.
Den Christstollen konnte sich kaum noch jemand leisten, mußte doch schon das Brot mit Kartoffeln gestreckt werden.
Alle Lebensmittel wurden rationiert und auch Kartoffeln und Steckrüben gab es nur auf Zuteilung.
Im letzten Kriegsjahr kam es auch in Mühlhausen zu Demonstrationen, in denen die Frauen mehr Brot für ihre hungernden Kinder forderten.


Mit dem Kriegsende waren die Probleme natürlich noch nicht gelöst. Zu Weihnachten stellte das Gaswerk seine Produktion bis Jahresende ein. Die heimgekehrten Soldaten wurden zum Teil für Notstandsarbeiten eingesetzt oder mussten von Unterstützung leben...


Die zwanziger Jahren waren dann wieder von Höhen und Tiefen geprägt.
Inflation und Rezession ließen viele Familien verarmen.
Zahlreiche Betriebe gingen in Konkurs, so daß viele Kriegsheimkehrer keine Arbeit mehr hatten.
Aber die Weihnachtszeit wurde auch in den ärmsten Familien begangen.
Na ja .., der Knecht Ruprecht hatte wahrscheinlich nur die Adressen der begüterten Familien bekommen.., aber ein kleiner Weihnachtsbaum stand dann doch in - fast - jedem Haus.




Das Angebot hatte sich nach und nach verbessert, oft konnten sich die Kinder aber das neue Spielzeug nur im Schaufenster ansehen und der Wunschzettel konnte nicht immer erfüllt werden.
Aber es konnte endlich wieder mit der Famlie gefeiert werden.







Die dreißiger Jahre brachten zwar weitgehend das Ende der Arbeitslosigkeit.., aber zu welchem Preis ..
Es entstanden auch bei uns neue Kasernen und Rüstungsbetriebe und in der neuen "Volksgemeinschaft" herrschte jetzt die braune Ideologie ..
Zwar gab es zu Weihnachten auch noch Karl-May-Bücher für die Jungen und "Försters Pucki" für die Mädchen, aber auch Bücher wie ".. um Feuer und Fahne .." oder "Volk ohne Raum" gab es bald.


So zivil wie auf diesen Bildern ging es dann bald nicht mehr in allen Familien zu.
Ab dem zehnten Lebensjahr trugen Jungen und Mädchen die Uniformen des Jungvolks und des Jungmädelbundes und ab 14 Jahren die HJ- und BdM-Uniform.
".. Hohe Nacht, der klaren Sterne ..." wurde jetzt gesungen und erinnerte an die Sonnenwendfeuer der Germanen ..
Dann kam der Reichsarbeitsdienst (RAD) und die Wehrmacht und wer ganz aktiv war, hatte die Uniform der SA bzw. der NSDAP an.

Ab 1939 waren dann wieder viele Mütter mit ihren Kindern allein.
Im zweiten Weltkrieg marschierten die Väter und Söhne durch halb Europa.
Aus Frankreich kamen die Feldpostpäckchen oft noch zu Weihnachten mit französischen Spezialitäten.
1941 wurden aber dann warme Strümpfe und Handschuhe für für die Soldaten im russischen Winter gestrickt und an die Front geschickt.
Der Film "Wunschkonzert" mit Karl Raddatz und Ilse Werner gehörte ebenso wie "Stukas" zu den NS-Propagandafilmen, die zur Weihnachtszeit gezeigt wurden.


Wieder"durften" die Soldaten die "Kriegsweihnacht" fern von der Heimat und von den Familien "feiern".
Hier die Soldaten des Infanterieregimantes 86, das in der General-Fuchs-Kaserne stationiert war und dann wie die 65er aus der Görmarkaserne in Polen, Frankreich, auf dem Balkan und in der Sowjetunion und in Nordafrika eingesetzt war.



Viele Soldaten erlebten das Kriesende nicht mehr.
Die Glocken der vom Rundfunk übertragenen "Kriegsweihnacht" für die im Kessel von Stalingrad eingeschlossenen Soldaten der 6.Armee, waren für viele die Totenglocken.

1945 war der Krieg zu Ende .., aber Not und Zerstörung und Millionen Tote,
brachten nur wenigen die echte Weihnachtsfreude.
Viele mußten aus ihrer Heimat flüchten, hatten keine Wohnung und kämpften ums überleben.

Und doch hatte Weihnachten diesesmal eine besondere Bedeutung ...
"Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen ...", war eine Botschaft die alle anging.
Aber auch der neue Frieden war wieder getrübt. Mühlhausen gehörte ab dem 1.7.45 zur Sowjetischen Besatzungszone und Ost und West entfernten sich immer mehr voneinander


In der DDR wurde zwar dann der Sozialismus planmäßig aufgebaut .., aber Weihnachten wurde nach wie vor gefeiert .., wenn auch im Laufe der Jahre die Kirchen immer leerer wurden ..
Na ja.., die Weihnachtsbäume waren nicht immer Güteklasse A ... und Apfelsinen gab es - wenn überhaupt - nur vier Wochen vor Weihnachten ..
.. und Rosinen usw. für den Christstollen mußte die Westverwandschaft schicken ..
.. aber sonst gab es - fast - alles .., wenn man es rechtzeitig besorgte ..





In den fünfziger und sechziger Jahren dann die ersten Weihnachtsfotos von der Familie, mit Siegmar, Michael, Manuela, Andreas und Susann...



































































Zuerst gab es selbstgebastelte Traktoren mit Anhänger und einen Bauernhof mit Windmühle ..
Dann auch schon mal einen Raupenschlepper mit einem selbstgebauten Kran ..
.. und dann eine PIKO-Eisenbahnanlage .., auf der drei Züge unabhängig von einander fuhren.

.. und natürlich Süßigkeiten, Pfefferkuchen usw., usw. ...
.. Andreas wußte natürlich immer gleich , wo es was zu holen gab ..

Der Schwibbogen gehörte damals zu den Raritäten, die im Weihnachtspaket zur Verwandschaft in den Westen gingen. Als Gegenleistung gab es dann das beliebte "Westpaket" mit den bei uns noch rareren Artikeln ..




Aber wenn dann mal etwas Falsches im Paket war, griff die Paketkontrolle hart zu und beschlagnahmte entweder die nicht erlaubte Ware oder gleich das ganze Paket


















Neben den verschiedenen Modellbahnanlagen der vergangenen Jahre entstand zum Schluss noch eine Mini-Weihnachts-Anlage (60 x 60 cm) mit der N-Spurweite von Piko, auf der zwei Züge vollautomatisch im Wechsel fuhren..




Nach der Wende wurde dann alles etwas bunter ..
Was sonst Raritäten waren gab es jetzt in Hülle und Fülle ..
.. Schokoladenweihnachtsmänner und Pfefferkuchen sogar schon im Herbst ..
.. Na .. und die Adventskalender waren natürlich auch schon gefüllt ..

 













Weihnachtszeit ..,
für uns jetzt die Zeit, wo man das Fest auch wieder mit der Familie und den Enkeln und Urenkeln feiert ..
.. eine schöne Zeit .. die auch manche Erinnerungen weckt ...






... Smiley .. und natürlich auch Ihr Günter Körber .., wünschen zum Schluss allen Mühlhausen-Freunden und allen Lesern dieser Seite frohe Weihnachten und ein glückliches, gesundes und friedliches neues Jahr ..






Donnerstag, 23. Dezember 2010

70) Weihnachtszeiten (1)

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.. Weihnachten steht vor der Tür ..... und Smiley meint.., da müßte es doch auch etwas über die Weihnachtszeiten in Mühlhausen und anderswo etwas zu berichten geben ..




Weihnachten wird seit dem 4. Jahrhundert als Fest der Geburt Christi gefeiert und im Mittelalter auf den Tag der Wintersonnenwende gelegt.
Dabei wurden auch manche vorchristliche Bräuche (Geschenke zum Julfest usw.) übernommen.
Weihnachten ging man in die Christmette .. und zu hause gab es das Festessen und die Geschenke für die Kinder.





Mühlhausen hatte im Mittelalter 16 Kirchen und Kapellen.
Die Kirche bestimmte mit ihrer alles bestimmenden christlichen Frömmigkeit den Tageslauf und war Mittelpunkt des religiösen Lebens.
Neben den hohen christlichen Feiertagen, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, gab es nochzahlreiche Fest- und Feiertage zu Ehren der verschiedensten Heiligen, die besonders zu den Kirchweihfesten gefeiert wurden.


Die Geburt Christi wurde besonders in der Malerei und in den Krippenspielen festgehalten.
Zu den frühen Weihnachtsliedern aus dem 15. Jahrhundert gehörte:
"Es ist ein Ros´entsprungen .."






Besondere Anziehungspunkte waren auch in Mühlhausen die Weihnachtsmärkte, die drei Tage lang auf dem Ober- oder Untermarkt stattfanden und zu denen die Händler oft von weither kamen.
Die Collage zeigt einen Jahrmarkt bei der St.Blasius-Kirche.


Die Nikolaikirche war dem heiligen Nikolaus geweiht, an dessen Namenstag, dem 6. Dezember, dann der Nikolaus zu den Kindern kam und Geschenke verteilte.
Nach der Reformation, wurde die Heiligenverehrung zurückgedrängt und Geschenke gab es jetzt vom "heiligen Christ" am Heiligen Abend oder am ersten Weihnachtsfeiertag.
Der Nikolaus kam aber dann trotzdem weiter am 6.Dezember zu den Kindern.





Zur Weinachtszeit waren dann auch die Kurrendesänger unterwegs, die von Haus zu Haus zogen, fromme Lieder sangen und kleine Spenden erhielten ..
Das Weihnachtssingen fand in Mühlhausen von Weihnachten bis zum Fest der heiligen drei Könige statt, bis es 1692 abgeschafft wurde.




Weihachten bei Martin Luther.., ein Bild aus dem 19. Jahrhundert, das der Zeit etwas vorauseilte.., denn den Weihnachtsbaum gab es wohl erst seitdem 16.-17.Jahrhundert in Deutschland ..
Luther schrieb auch den Text zu dem immer noch beliebten Weihnachtslied..:
"Vom Himmel hoch, da komm ich her .."




Die Martinikirche war ursprünglich dem heiligen Martin geweiht. Nach der Reformation wurde aber dann der Geburtstag Martin Luthers als Martinstag gefeiert. an dem die Kinder heute noch mit Laternen durch die Straßen ziehen.
Bis heute hat sich vielerorts noch der Brauch der Martinsgans erhalten, denn nach der Legende sollendie Gänse den Martin von Tours durch ihr lautes Schnattern gewarnt haben, als ihn die Soldaten fangen wollten.
(.. zum Andenken an diese Rettung landen sie jetzt in der Bratröhre ..., was Smiley irgendwie undankbar findet ..)



Der 30-jährige Krieg brachte auch in Mühlhausenzur Weihnachtszeit Not und Elend.., sowohl für die Stadt.., aber besonders auch für die Dörfer im Gebiet der freien Reichsstadt Mühlhausen .
Es war schon ganz egal welche Truppen hier durchzogen, geplündert wurde von allen.
So wurde auch 1647 noch Hollenbach von schwedischen Truppen am Weihnachtstage "spoliert"

Die wirtschaftlich ausgeblutete Stadt wurde ein paar Jahrzehnte später von der Pest betroffen, an der damals fast die Hälfte der Einwohner starb. Mehrere Kirchen mußten auch in der Weihnachtszeit geschlossen
bleiben und die Angehörigen von Pestkranken durften nur in der Jakobikirche zum Gottesdienst gehen. Die Pesttoten wurden überwiegend auf dem Allerheiligenkirchhof beigesetzt.




Noch vor Johann Sebastian Bach war der Mühlhäuser Johann Rudolph Ahle (1625 - 1673) nicht nur Ratsherr, sondern auch ein bekannter Kirchenmusiker, der unter anderem das Lied ".. Liebster Jesu, wir sind hier .." schrieb.
Später war dann J.S.Bach von 1707 bis 1708 Organist an der Untermarktskirche und 1735 bis 1737 war sein Sohn Johann Gottfried Bernhard Bach Organist an der Marienkirche.
Vielleicht hat der Sohn hier auch schon Teile aus dem 1734 fertiggestelltem Weihnachtsoratorium von J.S.Bach gespielt, aber dem pietistischen Gemeinderat war sein Spiel " .. zu laut .., zu verspielt .." , eben zu modern .. und so blieb auch der Sohn des großen Komponisten nicht lange in Mühlhausen.



Im 18. Jahrhundert normalisierte sich das Leben auch in Mühlhausen wieder und in den Kirchen und zu hause wurde jetzt das neue Weihnachtslied von Johannes Falk: "O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit ...." gesungen.
Aus dem Heiligen Christ war jetzt das Christkind geworden, daß als schöner Engel vom Himmel kam und den Kindern die Geschenke brachte.






Für viele war aber auch die Weihnachtszeit oft mit der Sorge um das tägliche Brot ausgefüllt.
Und auch die warme Stube war nicht überall ein Selbstverständlichkeit.





Da mußten auch die Kinder oft in den Wald, um das nötige Brennholz zu besorgen.
Natürlich gab es in der Freien Reichsstadt damals auch für das Holzsammeln eine Verordnung und die Forstaufseher achteten darauf, daß nur kleine dünne Äste gesammelt wurden.
Geheizt wurde damals sowieso nur eine Stube, in der sich das ganze Familienleben abspielte.
Wenn dann das Christkind vielleicht doch ein paar Geschenke gebracht hatte, war natürlich die Freude groß.



Im 19. Jahrhundert wurde Mühlhausen dann preußische Kreisstadt, aber besonders bis Mitte des Jahrhundert gab es immer wieder Wirtschaftskrisen, unter denen besonders die ärmere Bevölkerung litt.
Aber wenn es irgend ging, wurden die Kinder nach der Christmette beschenkt und es gab was besonderes zu essen.







Aber es gab auch genügend bürgerliche Familien, die mit ihren Kindern fröhliche Weihnachten feiern konnten.
Und es gab jetzt bald überall den Weihnachtsbaum, damals noch mit Äpfeln und Nüssen, Gebäck und Zuckerwerk geschmückt .. und natürlich mit richtigen Kerzen ..




Oft blieb aber auch das Spielzeug, das auf dem Weihnachtsmarkt angeboten wurde, für manchen unerschwinglich.











Wie hier auf dem Bild von Carl Michel ging man am Heiligen Abend durch den Weidengraben zur verschneiten Petrikirche.
Das Weihnachtslied ..: "Stille Nacht.., heilige Nacht ...." war Anfang des 19.Jahrhunderts entstanden und wurde bald überall gesungen.

An den Geschenken merkte man dann schon, daß Mühlhausen preußische Garnisonsstadt war, da gab es auch schon mal einen Helm und ein Holzschwert für den kleinen künftigen Soldaten.




Ende des 19. Jahrhunderts dann die Zeit der schönen kitschigen Weihnachtskarten und der ersten Fotografien von der Weihnachtsfeier und den Kindern.
Meist entstanden aber die Fotos damals noch beim Fotografen, denn einen eigenen Fotoapparat konnten sich nur wenige leisten.






So..., Smiley meint, daß es bis hier erst mal genug ist .. und die restlichen einhundert Jahre in einem zweiten Teil der Weihnachtszeiten behandelt werden sollten ..

.. Also .., dran bleiben ..., im Beitrag Nr.71 kommt noch mehr ..