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Synagoge oder Rathaus .. ???
.. .. Eine neue Fragestellung, die sich mit einem Artikel in der "Thüringer Allgemeine" vom 4.9.2010 für die mühlhäuser Geschichtsforschung ergab.
Eigentlich eine kleine Sensation, die da im Artikel von Jürgen Wand verkündet wurde.
So soll nach der These des Hobby-Historikers Roland Lange der Kernbau des alten mühlhäuser Rathauses die besterhaltenste und damals größte mittelalterliche Synagoge Europas gewesen sein.
Eine These, die mir von Anfang an unglaubwürdig erschien .. und die in einer Stellungnahme vom Stadtarchiv und vom Geschichtsverein ebenso als nicht belegbar beschrieben wurde.
Aber auch eine These, die dazu anregen könnte, weitere Erkenntnisse zur Geschichte unserer Stadt zu gewinnen.
Karsten Liesenberg hatte in den Mühlhäuser Beiträgen "Zur Geschichte der Juden in Mühlhausen ..." auch die Ursprünge der Juden in unserer Stadt aufgezeigt.
So war wohl im Mittelalter von Anfang an die Judengasse (die heutige Jüdenstraße) von den Juden der Stadt bewohnt. Die Juden wurden als "Feinde der Christenheit" immer wieder ausgegrenzt und gedemütigt. Sie durften keine Grundstücke erwerben und kein Handwerk ausüben. Ihnen blieb nur der Handel und das Geldgeschäft. So wurden bereits im Mühlhäuser Reichsrechtsbuch (um 1220) die Juden als Geldverleiher aufgeführt.
Als "Kammerknechte" unterstanden die Juden damals direkt dem königlichen Schutz und der königlichen Gewalt, durften aber keine Waffen tragen und waren deshalb nicht voll rechtsfähig.
Sie mußten seit 1215 eine bestimmte Kleidung - den Kaftan und den gelben Judenhut - tragen und wohnten meist in bestimmten Judenstraßen.
Die Judengasse in Mühlhausen lag an der Grenze zwischen Altstadt und Neustadt und dürfte wohl mit der Entstehung dieser Neustadt im 12. - 13.Jahrhundert im Zusammenhang gestanden haben.
Für den Schutz der Juden durch den König, verlangte dieser dafür eine besondere Steuer, das Judenregal.
In Mühlhausen, der Stadt des Königs, dürfte diese Steuer wohl vom königlichen Stadtvogt eingezogen worden sein.
Trotzdem kam es bereits während der Kreuzzüge und auch danach, immer wieder zu Übergriffen gegenüber den "Christusmördern", denen Hostienschändung und Ritualmorde vorgeworfen wurden.
Die Synagogen oder Bethäuser standen damals mitten im Judenviertel bzw. in der Judenstraße. In Erfurt wurde in den vergangenen Jahren eine im 14. Jahrhundert aufgegebene Synagoge wieder entdeckt und restauriert.
In Mühlhausen befand sich das jüdische Bethaus sehr wahrscheinlich von Anfang an mitten in der Judengasse an der Stelle der späteren Synagoge.
1349 wurde dann in Mühlhausen beim thüringer Pestprogrom neben den übrigen Juden auch der Rabbiner Elieser ermordet, aber ob damals hier eine Synagoge bestand, ist nicht bekannt. Wenn ja.., wurde sie bestimmt, wie die erfurter Synagoge, geschändet oder zerstört.
Ab 1370 gab es zwar wieder Juden in Mühlhausen, aber auch 1406 gab es erst 6 jüdische Familien in der Stadt. 1445 waren es dann 11 jüdische Familien und seit 1430 gab es auch wieder einen Rabbiner. Als um 1450 eine neue antijüdische Welle durch das Land zog, wurde 1452 alle Juden der Stadt gefangen genommen, enteignet und ausgewiesen.
Die These von Roland Lange, nach der das Rathaus ursprünglich die mühlhäuser Synagoge war, erscheint ziemlich unwahrscheinlich, da sie nach meiner und der offiziellen Meinung den zahlreichen Erkenntnissen zur frühen Geschichte unserer Stadt und zum Rathaus keine konkreten Fakten entgegen stellen kann.
Im folgenden soll deshalb ein Blick auf diese Erkenntnisse zum Rathaus und einen möglichen Vorgängerbau geworfen werden.
Nun hatte ja Mühlhausen als Pfalzstadt der deutschen Könige und Kaiser erst einmal gar kein eigentliches Rathaus, sondern wurde vom königlichen Präfekten oder Vogt verwaltet ... Ein Zustand, der aber wohl mit der Zerstörung der Reichsburg im Jahre 1256 zu ende ging.
Hier ergibt sich die Frage, wo dieser königliche Verwalter tagte und regierte. In der Burg des Königs.. oder an einem gesonderten Sitz ..??
In Erfurt wurden z.B. an der Stelle des alten Rathauses alte Wohntürme als Verwaltungssitz des Stadtvogtes nachgewiesen, die dann in den ersten Rathausbau integriert wurden.
Nun gehörten die Wohntürme bzw. Kemenaten neben den Kirchen und Burgen zu den ersten massiven Bauten in Deutschland, die oft noch unter dem Gesichtspunkt der Verteidigungsmöglichkeit mit hoch gelegtem Zugang errichtet wurden.
In den Mühlhäuser Beiträgen, Heft 17, hatten Bernhard Mahr und Martin Sünder, einen möglichen Wohnturm als Vorgängerbau des Rathauskernbaues beschrieben.
Bei Sanierungsarbeiten am Rathaus stellte sich heraus, daß der Bereich des heutigen Trauzimmers im Kernbau offensichtlich das Erdgeschoß eines Wohnturmes war, dessen Nord- und Südwand im Mauerwerk bis in seinen Dachbereich nachweisbar ist. Durch den überbauten Torbogen - durch den heute die Ratstraße führt - und den nördlichen Anbau, entstand dann der Kernbau des Rathauses.
Diesem folgte dann der westliche Anbau, zu dem wahrscheinlich der schon früh erwähnte "Ritterkeller" gehörte und erst später der Südflügel und die beiden Nordwestflügel, die in meinem Beitrag Nr.49 "700 Jahre Rathaus Mühlhausen" aufgezeigt wurden.
Die nebenstehende Skizze zeigt den Rathauskernbau von Süden, mit dem offensichtlich vorhandenen Wohnturm, der ebenso offensichtlich einen hoch gelegenen Zugang auf der Südseite hatte.
Zusammen mit dem ersten westlichen Anbau (dem Ritterkeller)könnte dieser Wohnturm sehr wohl als ein "fester Hof" ein bedeutender königlicher Amtssitz gewesen sein.
Der hochgelegene Zugang des Wohnturmes auf der Südseite, war dann wohl Anfang des 13.Jahrhunderts auch der Zugang zum Ratssaal im Obergeschoß des Kernbaues.
Der ältere Rathauskernbau erhielt dann im 14. Jahrhundert den westlichen Anbau und im 15. Jahrhundert auf der Ostseite einen Anbau, der als Rathauskapelle genutzt wurde und erst im 16. Jahrhundert den Anbau des Südflügels mit dem heutigen Rathauszugang. Mit diesem Anbau wurde die frühere Südwand des Wohnturmes völlig verdeckt und ist nur noch an den inneren Gebäudeteilen erkennbar.
Auf einen wichtigen Vorgängerbau des Rathauses weist auch die Lage in der sich entwickelnden Stadt hin.
So entstand dieser Vorgängerbau (R) an der Nahtstelle zwischen Altstadt, Neustadt und St.Jakobi. Hier wurde mit dem aufgezeigten Wohnturm als königlicher Verwaltungssitz und mit dem Rathauskernbau nicht nur Alt- und Neustadt über der Schwemmnotte verbunden, sondern bereits vorher ein symbolisches verbindendes Machtzentrum für die Königsstadt geschaffen.
Im Heft 27 des Mühlhäuser Beiträge hatte Peter Bühner über seine Ermittlungen zur mittelalterlichen Planung von Bauten in Mühlhausen geschrieben.
Er zeigte auf, daß im Mittelalter auch in Mühlhausen verschiedene wichtige Bauten nach trigonometrischen Konstruktionen (gleichschenkligen Dreiecken) angeordnet wurden. Ergänzend zu Bühners Aufzeichnungen, konnte ich noch zahlreiche weitere Zuordnungen von Bauten nach diesem Prinzip ermitteln, die weitere Erkenntnisse über die zeitliche Zuordnung u.a. brachten.
Eine interessante Konstruktion Bühners zeigt den Rathausstandort als Scheitelpunkt zur Einordnung der Jakobikirche von der offensichtlich älteren St.Blasiuskirche.
Nun ist im Normalfall der Scheitelpunkt oft der zweitälteste Punkt dieser Anordnung, was in diesem Fall den Rathausstandort zeitlich noch vor dem Bau der Jakobikirche einordnet.
Eine Zuordnung der Jakobikirche nach der von Roland Lange vermuteten Synagoge, ist allerdings für die damalige Zeit völlig andenkbar.
Eine etwas genauere Datierung ist dann schon bei den Konstruktionen zur Einordnung der Stadttore möglich, die entweder kurz vor oder bald nach 1200 mit der inneren Stadtmauer errichtet wurden.
Die roten Verbindungslinien zwischen den ersten Toren haben ziemlich genau den Standort des Rathausvorgängerbaues als Schnittpunkt und das blaue rechwinklige Dreieck verbindet das Görmartor mit dem Rathausstandort und dem wohl etwas später angelegten Pfortentor. Hier fällt noch auf, daß die Grundlinie dieser Konstruktion genau paralell mit der frühen Linie St.Georgi - Burg - St.Marien verläuft.
Also alles vor der Ersterwähnung des Rathauses von 1310, aber wohl auf keinen Fall als Ausrichtung nach einer jüdischen Synagoge.
Ganz offensichtlich wird dieses Prinzip noch durch eine Konstruktion, welche die Vorstadtkirchen miteinander verbindet und als Schnittpunkt ebenfalls den Rathausstandort hat.
Selbst wenn man hier auch einen Zeitpunktnach 1310 annehmen könnte, ist auf alle Fälle eine Synagoge an diesem Standort zu diesem Zeitpunkt undenkbar, denn soweit reichten die neuerdings propagierten "christlich-jüdischen Wurzeln" damals doch nicht. Im Gegenteil .., Judendiskriminierung und Judenverfolgung hielten sich noch lange, auch in Mühlhausen.
Wenn nun Roland Lange schreibt, daß zwischen 1300 und 1500 eine Lücke in der Geschichtsschreibung über das Rathaus klafft, hat er zwar in Bezug auf schriftliche Nachweise nicht unrecht, aber die zahlreichen baulichen Fakten sprechen doch für das Rathaus und sogar für einen wichtigen früheren Verwaltungssitz an dieser Stelle.
Diese wichtige Stellung, noch in der Zeit als Mühlhausen königliche Pfalzstadt war, geht auch aus der nebenstehenden Abbildung hervor, wo der Rathausvorgängerbau nicht nur die neuen und alten Stadtteile verbindet, sondern auch für die Einordnung der Stadttore Anfang des 13. Jahrhunderts von Bedeutung war.
Die nebenstehende Abbildung zeigt das Rathaus im 14. Jahrhundert. Links der ursprüngliche Kernbau und rechts daneben der westliche Anbau aus der Mitte des Jahrhunderts.
Über den offenen Verkaufsgewölben der nördliche offene Zugang zum Ratssaal im Obergeschoss.
1422 berichtete die Stadtchronik, daß bei dem großen Stadtbrand die Ratsgasse und das Rathaus mit erfasst wurden und 1455 wurde dann laut Cronik die Ratskapelle (der östliche Anbau) errichtet. Eine christliche Kapelle an der jüdischen Sanagoge ..??
Roland Lange führtnoch die Frage der Schwemmnotte in seinem Artikel an.
Wenn die Schwemmnotte in den Statuten von 1311 zum Abzug für die Abwässer erklärt wurde, so betraf das wohl den ganzen Innenstadtbereich, wo ja der bisherige Popperöder Bach dann auch den neuen Namen - eben als Schwemmnotte - führte.
Nachdem 1292 die Breitsülze in die Oberstadt geführt wurde, entstanden wohl auch bald wie nebenstehend aufgezeigt die Straßenbäche (hellblau), die dann überwiegend in die Schwemmnotte mündeten.
Auch die meisten Abzüge der Oberstadt (braun) die als Abwasserkanäle dienten, mündeten in die Schwemmnotte und zwar der Erste bereits hinter der Pfeffermühle bei der Felchtaer Stube.
Besonders in der Unterstadt hatten die größeren Grundstücke meist eigene Hausbrunnen und so könnte wohl auch auf der Nordseite des alten Rathausbaues, der ja mit dem Laubengang wohl auch dem Handel diente, ein Brunnen bestanden haben. 1747 wurde dann hier im Rathaushof der heute noch vorhandene "venezianische Brunnen" errichtet.
Ein Jahr zuvor (1746) berichtete die Chronik, daß ",, auf dem Rathssaal der Himmel renoviert und gemalet .." wurde. Die Vermutung von Lange, daß diese Deckenmalerei aus der Zeit um 1330 stammt, dürfte damit hinfällig sein, da ja das hölzerne Gewölbe des Ratssaales auch erst 1367 durchgängig entstand. Die heute noch vorhandene Deckenmalerei mit den vier Weltreichen des Altertums, könnte allerdings sehr wohl auf der Grundlage früherer Malereien entstanden sein.
Smiley steht also wieder einmal vor dem Problem, alte und neue Erkenntnisse und alte und neue Thesen unter einen Hut zu bringen ,,,,
Natürlich wird es immer wieder da, wo konkrete Fakten fehlen, zu neuen Überlegungen kommen und natürlich sollte man neue Gedanken und Thesen nicht gleich ad acta legen ..
.. DerAutor hat da seine Erfahrungen in derVergangenheit gemacht.., denn alles was nicht aus dem elitären Kreis der offiziellen Geschichtsforscher kommt .., wird garnicht erst beachtet ..
.. oder haben Sie verehrter Leser, hier schon mal einen Kommentar von offizieller Seite gelesen ..??
.. In der Thüringer Allgemeinen wurde die Fortsetzung der Artikelreihe über die "verschollene Synagoge" angekündigt ...
.. seien wir mal gespannt ... und falls erforderlich, folgt dann bestimmt noch ein Teil 2 des Beitrags "Synagoge oder Rathaus ..??.."
Sehr Hilfreich.
AntwortenLöschenDanke!
Karlstadt: Auf Grund einer intensiven Beschäftigung zur Anlage der mittelalterlichen Stadt Karlstadt und einer bei der Gründung zugrunde gelegten Stadtabsteckung für die Anlage der Baublöcke und die Gebäude und Plätze kommt Hans Müller ausgehend vom Standort der mittelalterlichen Synagoge zum Ergebnis: Die ersten Einwohner waren Juden ....Grüße Roland Lange
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