Dienstag, 30. März 2010

33) Der Stadtwald, die Hardt und die Jagd



Also eigentlich müßte der Titel dieses Posts anders heißen und zwar:
"Der Mühlhäuser Stadtwald, die Mühlhäuser Hardt und die Jagd im Gebiet der Stadt Mühlhausen", aber das war mir als Überschrift zu lang.

Neben dem heutigen Stadtwald und der Hardt, lagen im Gebiet der ehemals Freien Reichsstadt auf den Höhen im Norden und Westen noch weitere kleinere Wälder, die oft den jeweiligen Gemeinden gehörten.
Im frühen Mittelalter müssen auch hier die Wälder noch eine größere Ausdehnung gehabt haben, wie die Namen zahlreicher späterer Wüstungen belegen. So waren auch Popperode und Rückelrode ehemalige Rodungsdörfer im früheren Waldgebiet.

In der germanischen Zeit waren Wald und Felder noch Allgemeingut der Sippe und erst nach und nach eigneten sich die Herrschenden auch die Grundherrschaft für ihr Machtgebiet an.
Land und Leute gehörten dem König als obersten Herrscher, der dann oft einen Teil dieses Besitzes der Kirche schenkte oder an abhängige Adlige als Lehen vergab.
Erst später erhielten auch Ritter, die im Dienste des Königs standen, als königliche Ministeriale Land und Leute im Reichsgutbezirk als Lehen. So waren es im mühlhäuser Territorium erst einmal die "edlen Geschlechter" der Ministerialen, die hier in Wald und Flur das Sagen hatten.

Mit den Wäldern ging auch die Jagdgerechtigkeit an die Lehnsträger, wobei es aber auch Königswälder gab, wo nur der König bzw. ein von ihm beauftragter Adliger über deren Nutzung entschied.
Die Jagd war ein Vorrecht der Herren. Wilddiebe wurden hart bestraft.
Wenn der König wieder einmal in seiner Pfalz weilte, wurde aber auch schon mal zur Jagd geblasen, an der dann auch die anwesenden Fürsten und "edlen Herren" teilnahmen.
Einen erheblichen Teil der Wälder erwarb - überwiegend durch Schenkungen - der Deutsche Orden, der im 14.Jahrhundert das Patronat über die meißten Kirchen der Stadt hatte. Erst 1599 kaufte der Rat alle bisherigen Ordensgüter und damit auch die Wälder wieder zurück.


Gejagt wurde damals im Wald und auf der freien Flur, wobei die Herren wenig Rücksicht auf bestellte Felder nahmen.
Ob es hier auch die Falkenjagd gab, ist zwar nicht überliefert.
In der Chronik wird 1256 aber über den Unmut der Bürger berichtet, denen das Treiben der Adligen doch langsam zu viel wurde.
So heißt es hier:
"Dieselben Gahn Erben undt Edelen haben sich beide in der Stadt undt aufm felde mit Hetzen undt Jagen undt andern sehr mutwillig auch offtmals feindlich erzeiget ... Da ist der Rath mit den Burgern zugefahren undt haben das Schloß eylents in grundt eingerissen undt zurschleifft ..."
Die Bürger der Stadt hatten wohl im Interregnum die Gunst der Stunde genutzt, um einem Teil der "Geschlechter" den Stuhl vor die Tür zu setzen.

Auch in der Zeit der Freien Reichsstadt kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen über Nutzung und Jagdrecht in den Wäldern. So 1443 mit dem Kloster Volkenroda über das "Grass" im Nordosten des Stadtgebietes und 1460 mit den Pröbsten des Dorlaer Stiftes über das Ratsgehege im Süden des heutigen Stadtwaldes.
Auch mit den Ganerben von Treffurt kam es 1487 zum Streit um Nutzung und Jagdgerechtigkeit im Hainich, der dann durch die Fürsten geschlichtet wurde.
1523 waren dem Rat die "Mühlhäuser Artikel" von den Bürgern unter Führung Heinrich Pfeiffers abgerungen worden. Hier wurden auch konkrete Festlegungen zur Jagd und zur Höhe der Abgaben an den Rat getroffen.

Die "Hohe Jagd" - d.h. die Jagd auf Hirsche, Rehwild und Wildschweine - war das Vorrecht des Rates, der die Untertanen zur "Jagdfron" bestellte. So wurden die Bauern und die Vorstädter als Treiber und Jagdhelfer eingesetzt.
Die "Niedere Jagd" auf Hasen und "wilde Hühner" war auch den Bürgern der Stadt erlaubt. Vorstädter, Tagelöhner und Hintersiedler waren allerdings keine jagdberechtigten Bürger und die Untertanen auf den Dörfern sowieso nicht.
So heißt es 1588: "... Es sollen die Bürger, welche in der Vorstadt gesessen, so wol auch die Unterthanen undt Mittwohner uff den Dorffen sich alles weidewergs ... durchaus gentzlich eußern undt enthalten bei straffe ...."

Ein städtisches Forstamt mit zwei Jägermeistern setzte die Jagdordnung des Rates durch.
So waren im Herbst zwei bis drei Jagden abzuhalten. Die Jägermeister organisierten die Jagden und den übrigen Abschuss des "Hochwildes", die Verteilung an die Ratsmitglieder und den Verkauf des übrigen Wildbrets.

Neben dem Stadtwald mit dem Ratsgehege, war besonders die Hardt im Norden des Territoriums für die Jagd von Interesse.
Das Waldgebiet war überwiegend im 14. Jahrhundert den Adelsgeschlechtern abgekauft worden. Sowohl in der Hardt und dem Grass in der Nähe von Volkenroda war die Koppeljagd üblich, d.h. neben dem Rat gab es weitere Nutzer der Jagdgerechtigkeit, was natürlich zu ständigen Streitereien führte.
Erst 1671 erwarb der Rat gegen 1.100 Taler das alleinige Jagdrecht in der Hardt vom Grafen von Schwarzburg.
Besonders in der Hardt wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg auch Jagd auf Wölfe gemacht, deren Zahl in den Kriegsjahren stark zugenommen hatte.


Die Niederjagd war den Bürgern eigentlich nur für den eigenen Bedarf erlaubt. Alljährlich wurden Schon- und Hegezeiten festgelegt, in denen keine Jagd erfolgen durfte und auch die grobe Beschädigung der Feldfrüchte wurde bestraft.
Mit dem Übergang an Preußen im Jahre 1802 ging die Zeit der Hohen- und Bürgerjagd zu ende. Die Jagdgerechtigkeit wurde an Jagdpächter verpachtet bzw. den Grundstückseigentümern zugesprochen; eine Maßnahme, die dann noch einmal aufgehoben wurde, aber ".. weil die Wilddieberey zunahm ...", dann doch geltendes Jagdrecht wurde.

Die Wälder im mühlhäuser Territorium hatten neben der Jagd natürlich als Holzlieferant eine besondere Bedeutung.
Ob als Bauholz für die überwiegende Fachwerkbauweise, als Material für Tischler, Böttcher usw. und besonders auch als Brennmaterial.
Bauholz und Schnittholz wurden zuerst mühselig mit Beil und Schrotsäge bearbeitet. Später wurden die Stämme mit dem Rungenwagen zur Sägemühle gebracht. Im Wald aber war beim Fällen und Fortbewegen der Bäume erst einmal Handarbeit angesagt.


Das Brennholz aus den Wäldern war für Stadt und Land lebensnotwendig.
In gesonderten Holzordnungen wurde die Verteilung für den Rat und die Bürger festgelegt. Tagelöhner und Untertanen hatten sich das Holz zu kaufen. Der Mundartdichter Georg Wolff schrieb im 19. Jahrhundert: "... an Galle fahlts, im Holz sich ze hullen ... in dr Stobben dr Ufen äs ieszackenkaalt ..."
Zwar gab es auch Holzlesescheine gegen ein Entgeld, aber auch hier gab es zahlreiche einschränkende Festlegungen. So durfte kein Ast gesammelt werden, der sich nicht übers Knie brechen ließ.
Oft mussten die Holzsammler ihr Bündel wieder abladen, wenn sie vom Forstaufseher "erwischt" wurden.


Aber der Wald wurde zunehmend auch zum Ort der Erholung.
Das Weiße Haus war 1717 als Forst- und Jagdhaus des Rates errichtet worden und diente damals auch am Ende der Jagd beim
"Jägerschmaus" der Geselligkeit.
1807 erhielt dann der Förster die Erlaubnis hier eine Schankwirtschaft zu betreiben und in den Folgejahren wurde die Gastwirtschaft weiter ausgebaut. 1849 entstand die "Chaussee von Popperode nach dem Weißen Hause ...", so daß jetzt immer mehr Mühlhäuser nach hier kamen.
1898 erhielt die Ausflugsgaststätte noch eine Konzerthalle und war nach dem Bau der Straßenbahn "Endstation der Elektrischen".

Die Gastwirtschaft "Peterhof", die 1838 an der Landstraße nach Hessen entstand, wurde ebenfalls zum beliebten Ausflugslokal.
Begüterte Bürger fuhren mit der Kutsche hier her und der Rest kam zu Fuß, wobei die Waldwege gern genutzt wurden.
Anfang des 20. Jahrhunderts war gegenüber vom Peterhof noch die Pension und Gastwirtschaft "Waldfrieden" eröffnet worden.




Bald nach dem Bau der Straßenbahn zum Stadtwald im Jahre 1899 entstanden hier noch weitere Ausflugsgaststätten, wie das Prinzenhaus, das Kurhaus und das Waldschlößchen.
Jetzt wurde der Weg von Popperode zum Prinzenhaus zum beliebten Wanderweg, denn mancher wollte die 10 Pfennig für die Straßenbahn sparen.

Der mühlhäuser Waldverein hatte schon im 19. Jahrhundert den Stadtwald immer mehr erschlossen. Es entstanden Promenaden- und Wanderwege, sowie mehrere Schutzhütten, wie die Wendelhütte, die Gerberhütte und die Fritschler-Hütte und natürlich wurden auch mehrere Denkmäler aufgestellt.
Trotzdem blieb der Stadtwald überwiegend ein unberührtes Fleckchen Natur, direkt vor der mühlhäuser Haustür.
1911 befand sich an der Rehbuche folgende Inschrift von Friedrich Rückert:
"Kein bessre Lust zu dieser Zeit, als durch den Wald zu dringen, wo Drossel singt und Habicht schreit, wo Hirsch und Rehe springen"
Na ja-, Hirsche und Rehe springen einem nicht mehr über den Weg, aber eine Drossel kann man hier auch heute noch ab und zu noch hören.

1936 erhielt die Straßenbahn eine neue Zweigstrecke zum Gerätebau, einem neuen Rüstungsbetrieb, der getarnt mitten im Stadtwald lag. 1945 verschwand dann der Betrieb und auch die Zweigstrecke wieder.
Auch das Weiße Haus wurde abgerissen und hier entstand als "Ersatz" der HO-Waldkiosk. 1969 kam dann auch das Ende der Straßenbahn und jetzt fuhren hier die Omnibusse des VEB Kraftverkehr.

Auch in der Gastronomie veränderte sich einiges. Das Prinzenhaus, jetzt Waldcafé, ging an den Konsum, Waldfrieden wurde Reichsbahnerholungsheim, das Kurhaus wurde Wohnheim für die Studenten der medizinischen Fachschule Pfafferode, das Waldschlößchen wurde Landschulheim und den Peterhof erwarb die LPG Thomas Müntzer.
Nach der Wende wurde erneut vieles anders und der Stadtwald verlor ein bischen von seiner früheren Attraktivität. Aber durch das Engagement des Waldvereins, einiger privater Investoren und der Stadt, wurde manches wieder in Ordnung gebracht, so daß man auch hier wieder einkehren und auch die Drossel wieder hören kann.

Eine nicht unwesentliche Einnahmequelle für das Stadtsäckel ist auch der Holzverkauf aus den städtischen Wäldern.
Buchen, Eichen, Ahorn und Fichten stehen hier oft in guter Qualität zum Verkauf.
Allerdings ist der moderne Forstbetrieb mit Radschleppern den Waldwegen nicht gerade zuträglich. Mit den Rückepferden war das früher viel umweltverträglicher.



Seit einigen Jahren gibt es nun den Nationalpark Hainich, der ja eigentlich nicht auf dem früheren Territorium der Freien Reichsstadt liegt, aber dafür zu einem großen Teil im jetztigen Unstrut-Hainich-Kreis und von dem ist ja Mühlhausen schließlich die Kreisstadt.
Mit dem Baumkronenpfad und den urwüchsigen geschützten Buchenwäldern, in denen sogar die Wildkatze zuhause ist, ist der Hainich so zu einem Anziehungspunkt für Besucher aus Nah und Fern geworden.



Die Wälder rings um Mühlhausen, einst lebenswichtig für die Stadt und ihre Bürger, sind heute ein unverzichtbares Stück Natur, dessen Erhaltung uns allen am Herzen liegen sollte.





















Übrigens-,

neben den Ausflugslokalen am Stadtwald hatte Mülhausen früher noch zahlreiche weitere Naherholungsgaststätten zu bieten.

Der nächste Beitrag darüber ist schon in Bearbeitung .....

2 Kommentare:

  1. Ist die Information korrekt, dass die Stadt Mühlhausen im Jahre 1951 die Möglichkeit einem neuen Straßenbahnwagen zu kaufen ablehnte? Da man zu dieser Zeit schon auf einen Verkehrsträgerwechsel spekulierte.

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  2. .. zum Kommentar von Jürgen ...,
    .. ist mir nicht bekannt .., vielleicht findet man hierzu etwas im 1999 erschienenen Buch von Andreas Möller .. "Straßenbahn in Mühlhausen", das in der Stadtbibliothek Mühlhausen vorliegt ...

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