Samstag, 1. Mai 2010

48) Die Helden und der 1.Mai

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Apropo ..., Helden ...,
man musste auch in Mühlhausen schon ein bisschen Mut haben, wenn man sich Ende des 19. Jahrhunderts am 1.Mai versammelte oder gar demonstrierte.
Na ja ... und da heute der 1.Mai ist, kann ja ein kleiner Rückblick auf die "Helden" von Gestern nicht schaden.

Nachdem 1890 das Sozialistengesetz aufgehoben wurde, kam es auch in Mühlhausen verstärkt zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und konservativen Kräften, die im Februar in Weymars Felsenkeller durch Einsatz von Ulanen mit zahlreichen Verwundeten endete.
An der ersten Maidemonstration in Mühlhausen nahmen 1890 dann trotzdem über 500 Arbeiter teil.
Natürlich war der 1.Mai damals noch kein Feiertag und so beschlossen die Unternehmer, die Teilnehmer an den Demonstrationen für acht Tage von der Arbeit auszuschließen.



1898 wehte am 1.Mai am Südturm der Untermarktskirche die rote Fahne. Der beschuldigte Dachdecker Herz erhielt 9 Monate Gefängnis.

1903 waren es dann hunderte Arbeiter, darunter auch zahlreiche Frauen, die am 1.Mai an der Demonstration auf dem Blobach teilnahmen.

Besonders in der mühlhäuser Textilindustrie war der Anteil der weiblichen Beschäftigten relativ hoch. Waren sie doch noch lange Zeit die billigeren Arbeitskräfte.



1906 fuhren am 1.Mai etwa 250 Arbeiter mit sieben
Straßenbahnwagen zu einer gemeinsamen Maifeier
am Stadtwald und führten am Nachmittag eine Versammlung im Gewerkschaftshaus durch.
Am Folgetag hatten sie nicht nur einen Kater, sondern 120 Strickereiarbeiter mußten einen Tag unfreiwillig pausieren. Die Unternehmer hatten sie wieder mal ausgeschlossen.
Manche nahmen das nicht so tragisch ..., die Handwerksgesellen hatten früher auch mal ab und zu einen "blauen Montag" eingelegt.

Am 1.Mai 1907 fand wieder im Gewerkschaftshaus am Blobach (an der Ecke neben der Reithalle) eine Maifeier statt, auf der ein führender Sozialdemokrat aus Berlin sprach.
Dieses mal traf es 160 Arbeiter der Schuhfabrik Schreiber und Honer in der Wagenstedter Straße, die für ihre Teilnahme an der Maifeier bis zum 3.Mai ausgesperrt wurden.
Bei der sowieso schon geringen Bezahlung, eine empfindliche Geldeinbuße.

1914 begann dann der 1.Weltkrieg und ein großer Teil der Arbeiter
kam an die Front.
Nur wenige Sozialdemokraten blieben ihren proletarischen Grundsätzen treu. Der überwiegende Teil "zog ins Feld" und reihte sich in die große Schar der Helden ein.
Gegen Ende des Krieges kam es Mitte 1918 auch in Mühlhausen zu Unruhen. Die Mütter, die jetzt die Hauptlast an der "Heimatfront" trugen, forderten mehr Brot für ihre Kinder.
Im November 1918 bildete sich auch in Mühlhausen ein Arbeiter- und Soldatenrat und auf dem Rathaus wehte erst die rote und dann die schwarz-rot-goldene Fahne.

Der 1.Mai 1919 war dann erstmals gesetzlicher Feiertag und in der
Stadt fanden Massenkundgebungen und Demonstrationen statt.
Aber da waren die Grabenkämpfe zwischen den verschiedenen Flügeln schon mit aller Härte ausgebrochen. Jetzt kämpften SPD, USPD und KPD nicht nur gegen die konservativen Parteien, sondern auch tüchtig gegeneinander.

Die Inflation von 1922-23 stärkte in Mühlhausen nicht das linke Lager, sondern die Mitte-Rechts-Parteien, die bei den Wahlen Anfang Mai 1924 die Mehrheit im Stadtparlament errangen.
Als im Folgejahr die erste Ortsgruppe der NSDAP gegründet wurde, verschärfte sich der Kampf zwischen Rechts und Links noch mehr.





Als dann 1933 die NSDAP nach ihrer "Machtergreifung" die anderen Parteien und die Gewerkschaften verboten, waren diese Kämpfe vorbei. Aber zu welchem Preis..??
Andersdenkende kamen im "Führerstaat" ins Gefängnis oder ins KZ und bald wurden auch die Juden verfolgt, drangsaliert und ermordet.
Statt der Gewerkschaften gab es jetzt die Deutsche Arbeitsfront und in den Betrieben arbeiteten jetzt Betriebsführer und Gefolgschaft im der "Not- und Brotgemeinschaft".
Rüstungsindustrie, Reichsautobahn, Reichsarbeitsdienst und Wehrmacht sorgten für den Abbau der Arbeitslosigkeit und als Herrenvolk bzw. "Volk ohne Raum" wurden die Menschen schon mal auf den Krieg vorbereitet.
Der Tag der Arbeit war jetzt nicht mehr Kampftag, sondern "Tag der "Volksgemeinschaft".
Gekämpft wurde später dann richtig und das im 2.Weltkrieg sechs Jahre lang.
Und dann wurden auch die Helden wieder gebraucht, von denen allerdings viele auf den zahllosen Heldenfriedhöfen endeten.

1945 dachte man, daß es jetzt lange Zeit mit dem Heldentum vorbei wäre.
Der 1.Mai war wieder ein Kampf- und Feiertag der Werktätigen und anfangs wurde neben Frieden, Freiheit und Aufbau, sogar für die Einheit gekämpft.
Aber jede Zeit brauchte ihre Helden.

Zuerst waren das die antifaschistischen Wiederstandkämpfer, aber später wurden immer mehr Helden der Arbeit gebraucht.
Da war ein Adolf Hennecke, der mal einen Tag rackerte wie ein Wilder und mit seiner Erfüllung der Tagesnorm mit 380 % als Vorbild für alle anderen Aktivisten diente.
Oder in Mühlhausen die Luise Ermisch ..., die eine nach ihr benannte Methode entwickelte, wie die Qualität der Erzeugnisse im Leistungswettbewerb zwischen den Brigaden verbessert werden kann.
Die Luise wurde Mitglied des ZK der SED und ihr Betrieb mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.

Also das waren die Helden dieser Zeit.
Natürlich gab es auch kleinere Helden, wie die Aktivisten oder die Brigaden der sozialistischen Arbeit.
Aber so ein richtiger Held der Arbeit, der neben seinem Orden noch 10.000 Mark bekam, das war schon was ..!!
Da ging man natürlich voller Stolz zur Maidemonstration, an der nicht nur die Werktätigen der Betriebe, sondern auch die Schüler der Schulen und die Genossen der Kampfgruppen, der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee teilnahmen.
Während die Schüler und Werktätigen dann meist den Genossen auf der Ehrentribühne mit ihren Fähnchen zuwinkten, brauchten die bewaffneten Organe nicht winken, marschierten aber dafür im Stechschritt vorbei .

1980 war dann der 1.Mai in Deutschland 90 Jahre alt.
Im Osten zum Ritual erstarrt, in dem die Erfolge der Betriebe heraus gestellt wurden, die sie natürlich unter Führung der Partei erreicht hatten und wo der Nachmittag bei Freibier und Bockwurst das wichtigste war.
Im Westen wurde dagegen noch um die 40-Stunden-Woche und um mehr Lohn usw. gekämpft und manchmal ging es auch um den Frieden, gegen Atomwaffen, gegen Atommeiler usw., usw.

1989 war die östliche Begeisterung zum 1.Mai so ziemlich gegen Null angelangt. Dafür gingen dann Tausende im Oktober und November auf die Straße ... und das freiwillig und zuerst noch mit einem unguten Gefühl.

Wir waren eben nicht alle Helden.

1990 fiel die Maidemonstration erst mal aus. Es waren keine Genossen mehr da, die auf der Tribüne den Werktätigen zuwinkten und diese hatten damals auch ganz andere Sorgen.
So kamen am 10. Mai die Beschäftigten der Betriebe Mülana, Cottana und WKM auf dem Bahnhofsvorplatz zu einer Kundgebung zusammen, um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze einzufordern.
1990-91 gingen dann alle volkseigenen Betriebe in Mühlhausen erst an die Treuhandgesellschaft und wurden dann - bis auf einige Ausnahmen - geschlossen.
Fast alle Mitarbeiter wurden entlassen und nur wenige konnten in kleine privatisierte Restbetriebe übernommen werden.
Hier nur ein paar der größeren "abgewickelten" Betriebe:
- VEB Mikroelektronik mit 2.598 Beschäftigten,
- VEB Mülana mit 3.400 Beschäftigten,
- VEB Cottana mit 1.500 Beschäftigten,
- VEB Mövewerk mit 1.056 Beschäftigten,
- HO Mühlhausen mit 1.2oo Beschäftigten.
Innerhalb eines Jahres wurden so in Mühlhausen über 10.000 in den ehemaligen VEB Beschäftigte arbeitslos.
Seltsamerweise gab es dann in den Folgejahren keine Maidemonstrationen mehr.Die dürftigen Maikundgebungen auf dem Postplatz oder am Untermarkt lockten noch nicht einmal einen Bruchteil der tausenden Arbeitslosen auf die Straße.

Der 1.Mai 2010 war ja nun eigentlich als 120.Jahrestag des 1.Mai in Deutschland ein Grund zum Feiern und Demonstrieren, aber die Festredner hielten ihre Reden auf dem Untermarkt vor fast leeren Bänken, obwohl es doch eigentlich jede Menge Gründe gibt, für mehr Gerechtigkeit einzutreten.
Aber es gibt eben keine Helden mehr ... :-(

Übrigens ...,

Smilie und Genossen wollten auch mal demonstrieren ...
Hier sind sie ...














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