Montag, 6. Dezember 2010

67) 50 Jahre Petrischule

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50 Jahre Petrischule ... ???

Smiley hört schon die lautstarken Proteste von allen Seiten.., denn die Petrischule hatte ja schon 1994 ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert ..

Na ja..., aber der Autor dieser Zeilen und seine Familie haben eben diese Schule nur in den ersten fünfzig Jahren ihres Bestehens genossen .. und auch hier gilt eben der Grundsatz, nur über das zu schreiben, wo man halbwegs Bescheid weiß ..

Am Anfang stand ja erst einmal die im 14. Jahrhundert gebaute Petrikirche, zu der wohl schon im 16. Jahrhundert eine Küsterschule gehörte.
Damals waren die Vorstädte noch relativ wenig bebaut und zur Vorstadt Petri-Margarethen gehörten etwa 170 Häuser am Blobach, am heutigen Petristeinweg, der Schaffentorstraße und der Ammerstraße
Eine Schulpflicht gab es noch nicht. Begüterte Bürger schickten ihre Söhne aufs Gymnasium in der Neuen Straße..., aber in den Vorstädten wohnten damals sowieso nur die einfachen Leute, die ja auch kein volles Bürgerrecht hatten.








Als Mühlhausen dann 1802 preußisch wurde, gab es sowohl für Jungen, wie auch für Mädchen, schon die Schulpflicht und 1838 wurde an der Ecke Petristeinweg - Petriteich die alte Petrischule gebaut.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Vorstädte weiter und auch in der Vorstadt Petri-Margarethen entstanden neue Straßen.
Es entstanden neue Fabriken, wie die Lederfabrik Stephan im Johannistal und die Metallwarenfabrik Franke hinter der Harwand und es entstanden zahlreiche neue Wohnhäuser. Die Einwohnerzahl der Stadt hatte sich um 1900 fast verdreifacht.



Wilhelm Busch hatte in seinen Bildergeschichten mal einen Blick in den Unterricht von damals geworfen.
Der Rohrstock gehörte zu den wichtigsten Mitteln, um Zucht und Ordnung durchzusetzen.
In der "neuen" alten Schule waren jetzt die Klassen nach Jungen und Mädchen getrennt, aber nicht mehr als Ein-Klassen-Schule, sondern bereits nach dem Alter der Schüler gestaffelt.
1868 bekam dann auch die Petrischule einen eigenen Rektor.



Am 3.9.1894 wurde dann die neue Petrischule am Petriteich eröffnet.
Das stattliche Gebäude war ebenfalls nach Jungen und Mädchen getrennt. Die Trennung galt dann ebenso für den Pausenhof und für den Toilettenbau. Die Turnhalle wurde im Wechsel genutzt.
1896 kam dann noch die städtische Koch- und Haushaltungsschule (rechts auf dem Hof) hinzu, in der etwa 100 Schülerinnen aus der Stadt an das Leben als Hausfrau herangeführt werden sollten.



Die Erziehung hatte damals die "preußischen Tugenden" - Zucht, Gehorsam, Gottesfurcht und Liebe zum Vaterland - als Ziel.
Erst wenn man "gedient" hatte, war man so ein richtiger deutscher Mann. Dementsprchend bekamen die Jungen kleine Soldaten und Kanonen zum Spielen, während die Mädchen noch mit Puppen und Puppenstuben spielen durften.
Natürlich waren die "besseren Familien" bemüht, ihre Kinder auf die "höhere Schule" zu schicken, aber in den Vorstädten wohnten ja nach wie vor überwiegend Arbeiterfamilien.






Die Lesebücher waren damals noch voller Gedichte, Balladen usw., welche die Schüler dann zu hause zu lernen hatten.
Außer dem Lesebuch, in dem es manch erbauliches Geschichtlein gab, hatte man dann noch ein Rechenbuch .... und das genügte erst einmal.
Erdkunde und Naturkunde wurden meist nur in groben Zügen behandelt, viel wichtiger waren Geschichte, Religion und Musik.
Turnen war erst in letzter Zeit interessant geworden, weil man erkannt hatte, daß ein guter Soldat auch einen gesunden Körper brauchte.
Übrigens ... Geschichte ... hier kam es damals darauf an, daß man möglichst alle preußischen Könige und Kaiser und die Jahreszahlen der Kriege und berühmten Schlachten aufzählen konnte.






Um 1900 hatte sich auch die Fotografie immer mehr durchgesetzt und es entstanden die ersten Familien- und Klassenfotos.
Übrigens wurden damals auch oft mehrere Klassen auf den Fotos verewigt und es war schon ein besonderes Ereignis, wenn der Mann mit dem großen Kasten kam.






Hier ein Foto der sechsten Klassen der Petrischule aus dem Jahre 1904, das auf dem Schulhof entstand und auf dem meine Mutter Ida Körber (Jg.97) zu sehen ist.. Meine Großeltern wohnten damals am Petristeinweg und so war es folgerichtig, das meine Mutter in die Petrischule kam. Auch die Mädchen, die ja überwiegend Lehrerinnen hatten, wurden nach den "bewährten" preußischen Grundsätzen erzogen .. und auch hier gab es neben dem üblichen Backpfeifen auch mal den Rohrstock zu spüren. Da wurde noch darauf geachtet ob Hände und Fingernägel sauber waren.. und zum Unterricht hatte man aufrecht und mit gefalteten Händen ... und natürlich still zu sitzen ..

1906 ging der Rektor der Petrischule. Herr Renneberg, nach 60 Dienstjahren in den Ruhestand.
Ein wichtiges Lehrbuch war damals das Realienbuch..., ein Buch, das sich aber nicht jeder leisten konnte ..
Geschichte, Erdkunde und Naturkunde ( vorrangig Biologie und Physik) wurden hier zusammengefasst geboten.
Hier gab es dann auch schon, meist als Zeichnungen, die ersten Bilder in den Lehrbüchern.
Für die Arbeiterkinder reichte es aber meist, wenn sie Lesen, Schreiben und Rechnen konnten .. und wenn sie gute Noten in Fleiß, Ordnung und Betragen hatten.






Am 1.August 1914 begann der 1.Weltkrieg. Viele Väter wurden eingezogen und kamen an die Front. Es dauerte nicht lange und es kamen die ersten Verwundeten zurück.
Neben verschiedenen großen Saalgaststätten, wurden auch mehrere Schulen als Lazarett für die Verwundeten eingerichtet.
Gehorsam und Pflichterfüllung kostete 1335 Mühlhäusern das Leben und tausende wurden verwundet.
Im Februar und März 1917 wurden alle Schulen wegen Kohlenmangel geschlossen. In den letzten Kriegsjahren kam es dann immer wieder zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung und die Schulkinder mußten Ähren und Bucheckern lesen gehen.
Auch in den Nachkriegsjahren herrschten noch Kohlen- und Lebensmittelmangel.
1919 wurden dann in den Schulen die Bilder der preußischen Kaiser aus den Klassenzimmern entfernt und die alte Petrischule an der Ecke Petristeinweg wurde zu Wohnungen ausgebaut.

1914 war die Sütterlin-Schreibschrift in Preußen eingeführt worden.
Die nebenstehende Schreiblesefibel für die Grundschule "Fröhliche Arbeit in neuem Kleid" stammt aus dem Jahre 1925.
Mit vielen bunten Bildern und kleinen Geschichten führte sie die ABC-Schützen in die Lese- und Schreibkunst ein.
Und auch die ersten Reime gab es hier schon zum lernen..., wie das Gedicht von der kleinen Hex.., die morgens früh um sechs kam ..
.. oder das Kinderlied vom Mond ... "Wer hat die schönsten Schäfchen.., die hat der goldne Mond .."
.... Gedichte und Lieder, die heute längst vergessen sind ..





Noch bis Mitte der dreißiger Jahr waren Schiefertafel und Schiefergriffel die wichtigsten Schreibgeräte in den unteren Klassen. Schwamm und Tafellappen gehörten dann auch noch dazu.
Erst in den folgenden Klassen wurden dann Federhalter und Schreibhefte benutzt. Die Tinte gab es in den Tintenfässern der Schulbänke.
Die Schreibutensilien gab es in dem kleinen Schreibwarenladen der Frau Wagner, gleich neben der Schule am Petriteich 15.



Übrigens ..., dort gab es auch die beliebten Abziehbilder und Glaserte und Märmel. Damit spielte man damals nicht nur auf den Bürgersteigen, sondern oft auch auf dem Schulhof, denn so ein paar Märmel, Glaserte oder Nickelditschen gehörten in jede Hosentasche.






Hier ein Foto der Klasse 4a von Lehrer Höpel im Jahre 1930 mit meinem ältesten Bruder Helmut Körber (Jg.19).
Bei vier Schülern in einer Bank und insgesamt 10 Bänken in der Klasse, bestand damals so eine Klasse aus vierzig Schülern.
Natürlich durfte ein Flottenbild von der Skagerak-Schlacht nicht in der Klasse fehlen ..., aber noch gab es einen Adventskranz.



Die Zeit der Weimarer Republik war auch in Mühlhausen immer noch vom preußischen Geist geprägt. (Mühlhausen gehörte ja immer noch zum Regierungsbezirk Erfurt in der preußischen
Provinz Sachsen)
Na... und Uniformen und Marschmusik gehörte auch immer noch zu den "guten" deutschen Traditionen.





In den neuen Realienbücher gab es jetzt auch immer mehr Fotos und auch der wissenschaftliche Inhalt wurde verbessert.
Trotzdem war das Realienbuch keine Pflichtliteratur für die Volksschulen und nur wenige Schüler besaßen ein solches.

Damals waren die Bücher von Karl May und auch die Groschenhefte über John Kling und Rolf Torring viel interessanter für die Jungen.
Was so ein richtiger Indianer war, der mußte tapfer, mutig und edel sein ..., eben so ein richtiger kleiner Held ..






In den dreißiger Jahren kam dann eine neue Zeit auch an den Schulen.
Mit den Nazis zog ein neuer Geist in den Unterricht ein. Anfangs begann das Morgengebet noch mit "Gott schütze den Führer ....", aber dann fielen die konfessionellen Schulen weg und damit auch der Religionsunterricht und die Morgengebete.
Später fiel auch die Sütterlinschrift wieder weg und wurde durch die Deutsche Normalschrift ersetzt.
Das Deutschtum bekam jetzt ganz neue Züge .., der deutsche Junge und das deutsche Mädchen waren möglichst blond (so wie die alten Germanen) ...
Jüdische Kinder wurden nicht mehr in der deutschen Schule geduldet und mußten in ihrer Gemeinde unterrichtet werden.







Auf den Wandertagen wurde dann der Klassenwimpel mitgeführt, wie hier 1934 mit Lehrer Höpel und der Klasse meines Bruders Heinz Körber (Jg.21).
Manöverspiele dienten dann schon mal der Wehrertüchtigung, die dann im Jungvolk und der Hitlerjugend vervollkommnet wurde.
Rektor der Petrischule war damals Herr Helmbold.





1934 war Lehrer Leineweber noch in Zivil, aber später als Konrektor trug er an den politischen Feiertagen die braune Uniform des Ortsgruppenleiters.
Zum Lehrerstamm gehörten damals die Herren Mögling, Höpel, Gottschalk, Elendt und Thys und die Frauen Eiche, Grau und Leithäuser.
Von 1937 bis 1945 ging ich (Jg.31) dann auch in die Petrischule.
Wir wohnten zwar ab 1938 in den Volkswohnungen der Sachsensiedlung und so war es schon ein recht langer Schulweg. Omnibusse fuhren hier damals nur für die Arbeiter des Gerätebaues im Stadtwald.

1939 wurde die Petrischule in Dietrich-Eckardt-Schule umbenannt und auch die anderen Schulen der Stadt erhielten neue Namen..., die Oberschule wurde sogar zur "Deutschritterschule" ..
Mit zehn Jahren ging der deutsche Junge damals ins Jungvolk, wo er schon mal auf seine spätere Rolle als Soldat vorbereitet wurde.
Auch zum Fahnenappell der Schule hatte man in Uniform zu erscheinen.





Auch meine Schwester Liesbeth Körber (Jg.24) ging damals in die Petrischule.
Die Mädchen wurden im Bund deutscher Mädchen (BdM) zusammengefasst und sollten unter dem Jugendwerk "Glaube und Schönheit" auf ihre Rolle als "deutsche Frau und Mutter" vorbereitet werden.
Nach der Schule mußten die Mädchen dann ein Pflichtjahr ableisten, entweder als Erntehelferinnen oder als Haushaltshilfen.




Der Sport nahm eine wichtige Rolle im Unterricht ein und aus dem Keulenwurf wurde dann auch schon mal der Handgranatenweitwurf.
Es dauerte dann nicht lange und die ehemaligen Schüler der Petrischule mußten dann richtige Handgranten werfen.... der zweite Weltkrieg hatte im September 1939 begonnen ..!!
Nach der Schulzeit wurden die "Pimpfe" in die Hitlerjugend (HJ) übernommen ... und wurden später oft als Flakhelfer u.ä. eingesetzt.
Eigentlich sollte der junge Mann ab 18 Jahren in den Reichsarbeitsdienst (RAD), aber im Kriege wurden dann viele gleich zur Wehrmacht eingezogen und an die Front geschickt. Zu den 1.889 gefallenen Mühlhäusern, gehörten auch meine beiden Brüder.







In den letzten Kriegsjahren wurde die Petrischule wieder als Lazarett genutzt und wir mußten jetzt in die alte Nikolaischule an der Körnergasse gehen, wo der Unterricht im Schichtbetrieb abgewickelt wurde.
Oft fiel der Unterricht aber ganz aus, weil es immer öfter Fliegeralarm gab. Man hörte jetzt deshalb im Volksempfänger statt der bisherigen Sondermeldungen vorwiegend die Luftlagemeldungen. Unser Klassenlehrer, Herr Thys, war in den letzten Kriegsmonaten noch zur Verstärkung des Westwalls dienstverpflichtet worden, aber bald zeigte sich das Ende des Krieges ab.

Im April 1945 dann das Ende ..
.. das Ende meiner Schulzeit ...und im Mai das Ende des zweiten Weltkrieges und damit das Ende einer Zeit, die Millionen Opfer in ganz Europa gefordert hatte ..
.. noch im Jahre 1945 erhielt dann die Petrischule ihren alten Namen wieder ...
.. und wieder kehrte eine neue Zeit ein ..
.. aber das ist eine neue Geschichte ...





.... 50 Jahre Petrischule ...
.. Smiley findet, daß es ganz schön verrückte Jahre waren .. und daß der Schule und ihren Schülern solche Zeiten hoffentlich ein für alle mal erspart bleiben.
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Übrigens ...,
.. zur Geschichte der Schulen in Mühlhausen hatte ich schon im Spot-Nr.9 einen kleinen Beitrag geschrieben ...
.. Wenn es interessiert ..., einfach mal reinschauen ...
.. und die Gesamtübersicht über die bisher 67 Beiträge findet man im Spot-Nr.1 ... also ganz am Anfang dieser Reihe ..
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Donnerstag, 25. November 2010

66) Entwicklung des Handwerks in Mühlhausen



Die Entwicklung des Handwerks in Mühlhausen ..,
.. hat nach Smileys Meinung eigentlich schon vor der Entwicklung der Stadt begonnen ..

So war bereits bei den Germanen der Schmied einer der ersten Handwerker, der sich aus der bisherigen Hauswirtschaft - wo man alles was man brauchte, auch selbst herstellte - heraus löste.
Die meisten anderen Arbeiten, wie die Weberei und Töpferei, wurden noch lange im eigenen Haushalt oder in der Siedlungsgemeinschaft ausgeübt.
Besonders an den Fürstenhöfen und in den frühen Klöstern gab es dann im Rahmen der verstärkten Arbeitsteilung auch immer mehr spezialisierte Handwerker.

Das Bauhandwerk mit Maurern, Steinmetzen usw. hatte im Reich eigentlich seine Grundlage in den Kloster- und Kirchenbauten, die unter der Leitung sachkundiger Ordensbrüder entstanden.
Der Bauhandwerker war aber überwiegend als unfreier Fronarbeiter des Grundherren (Adel oder Kirche) tätig.
Später waren es die Bauhütten, in denen der Baumeister das Sagen hatte und unter dessen Leitung die heute noch bestaunten Bauten des Mittelalters entstanden.
Sowohl auf dem Lande, wie auch in der Stadt blieb aber noch lange die Holz- bzw. Fachwerkbauweise vorherrschend.



Mit der Entwicklung der Städte und des freien Bürgertums, entwickelte sich dann im 12.-13.Jh. auch der freie unabhängige Handwerker, der sich auch in Mühlhausen bald zu Gilden bzw. Zünften zusammenschloss.
1231 erhielten in Mühlhausen die Filzmacher die gleichen Rechte wie die Marktleute .. Sie konnten also jetzt ihre Erzeugnisse selbst auf dem Markt verkaufen.
Ein großer Teil der übrigen Handwerker wird aber auch damals noch zu den unfreien Hörigen des Königs bzw. seiner Dienstleute gehört haben.
Im Laufe des 13. Jahrhunderts bildeten sich dann auch in Mühlhausen weitere Handwerkerzünfte.


So die Weber, Schneider, Gerber, Schuhmacher, Fleischer, Bäcker und Schmiede.
In den Zünften wurde die Qualifizierung der Mitglieder und die Qualität der Produktion festgelegt.
So konnten nur Söhne christlicher Eltern Lehrlinge werden und die Gesellen konnten dann erst nach mehrjähriger Tätigkeit den Meisterbrief erwerben und so Mitglied der Zunft werden.


Die Zunftmeister achteten auf Ordnung und Zucht, sowie die Qualität der Produkte und auf deren Preise.
Innerhalb der Gewerke erfolgte dann oft eine weitere Spezialisierung. So entstand neben dem Zimmerer, der Tischler bzw. Schreiner, sowie der Drechsler, der Böttcher und der Wagenbauer.
Neben dem Grobschnied, gab es bald den Waffenschmied und den Schlosser, sowie den Gold- und Silberschmied.
Die Weber hatten sich schon bald in Woll- und Leinenweber getrennt und bei den Bäckern gab es die Brot- und Feinbäcker.
Der Handwerker produzierte entweder auf Bestellung oder verkaufte seine Produkte auf dem Markt, wo dann der städtische Marktmeister die Preise und Gewichte überprüfte.

Neben dem Ober- und Untermarkt gab es in der Stadt den Töpfermarkt, den Fleischmarkt und für den Tuchhandel die Tuchlaube auf dem Untermarkt, wo aber nicht die Weber, sondern die reichen Tucherer das Geschäft machten.
Die Tuchhändler hatten bald das Monopol für Ankauf und Verarbeitung von Wolle und Flachs... sowie für die Weberei und Färberei ,, bis zum Verkauf der fertigen Tuche.
Die Handwerker arbeiteten für sie in Lohnarbeit .. und den Gewinn strichen die reichen Handelsherren ein. Oft wurden mühlhäuser Tuche über die Hanse bis ins Ausland verkauft.
Mit 188 Wollwebern und 66 Leinewebern, war aber um 1599 die Weberei in der Stadt das vorherrschende Gewerbe. Aber besonders die Leineweber blieben lange Zeit die armen Schlucker unter den Handwerkern.



Das alte Färberhaus in der Felchtaerstraße 18 aus dem Jahre 1577 war damals direkt über der Schwemmnotte errichtet worden. Später beschwerten sich allerdings des öfteren die nachfolgenden Anlieger über das verschmutzte Wasser des Baches.


Um 1600 waren aber auch die 3 Färbermeister und die 5 Tuchscherer von den von den Großkaufleuten abhängig.
Auch die Waidjunker hatten lange Zeit das Monopol im Waidhandel.., den sie vom Anbau, über die Verarbeitung bis zum Verkauf beherrschten und so zu immensem Reichtum kamen.
Mit der Einführung des Indigo als Färbemittel, ging dann aber später auch hier der Handel mit dem Färberwaid zurück.


Die Zimmerleute gehörten mehr zu den freien Handwerkern, deren Gesellen oft von Ort zu Ort zogen, um sich passende Arbeit zu suchen.
Das Gesellenwandern gehörte dann in vielen Gewerken zum festen Ritual.
Ein Geselle galt nur etwas, wenn er seine Kenntnisse draußen, in der weiten Welt erweitert hatte.
1599 gab es in der Stadt 14 Zimmerleute (also selbstständige Meister, die dann auch noch Gesellen und Lehrlinge hatten)
Die hier vorherrschende Fachwerkbauweise sicherte ihnen Arbeit und Brot.



Ein wichtiger Gewerbezweig waren in Mühlhausen die Gerber. Die 9 Weiß- und die 39 Lohgerber hatten ihre Häuser meist an den verschiedenen Straßenbächen der Stadt. Da die Schafzucht für die Wollweberei von Bedeutung war, waren dann Schaf- und Ziegenfelle für die Weißgerber wichtig, während die Lohgerber das begehrte Rind- und Schweinsleder herstellten.
Die Gerberhäuser in der Kuttelgasse und das Zunftmeisterhaus am Entenbühl legen heute noch Zeugnis ab von der einst bedeutenden Zunft der Stadt.
Beim Zunftmeister stand auch die Zunftlade, in der alle wichtigen Papiere und Urkunden, das Siegel und die Zunftkasse aufbewahrt wurden.
Beim Zunftmeister fand auch die Versammlung der Meister - die Morgensprache - sowie die Aufnahme neuer Meister und die Lossprechung der Lehrlinge statt.

Wo viel Leder hergestellt wurde, gab es natürlich auch zahlreiche Schuhmacher. 47 Schuhmachermeister stellten die Schuhe meist auf Bestellung her. Damals wurde noch Maß genommen .. und nicht alles über einen Leisten gezogen ..!!
Viele Sprichwörter haben sich aus dieser Zeit erhalten. "Schuster bleib bei deinen Leisten" war nur ein´s von vielen.
(Die Leisten waren die verschieden großen Holzformen, über die der Schuh gespannt und bearbeitet wurde..)


Auch die 14 Tischlermeister fertigten damals die Möbel meist auf Bestellung an und die 6 Fenstermacher arbeiteten oft mit den Baumeistern der Stadt zusammen.
Das Schnittholz bekam der Tischler jetzt bereits aus der Sägemühle, aber die Holzbearbeitung erfolgte dann ausschließlich in Handarbeit.
Der Drechsler hatte dann schon mit der Drechselbank eine kleine Maschine, die aber noch per Hand- bzw. Fuß angetrieben wurde.
Auch die 13 Töpfermeister stellten ihre Ware mit der Töpferscheibe her, die mit den Füßen angetrieben wurde. Aber auch der Bau der Kachelöfen gehörte damals zur Arbeit der Töpfer.


Die über 20 Mühlen bildeten im Mittelalter den Grundstock für die aufblühende Wirtschaft der Stadt.
(.. siehe auch den Beitrag über die Mühlen der Stadt ..)
Neben den Getreidemühlen gab es die verschiedensten Gewerke, wie die Malz-, Öl- oder Pfeffermühlen, Säge- oder Schneidemühlen, Klingen- und Kettenmühle, sowie die Harnischpoliermühle deuten auf Gewerke hin, wo die Arbeit schon teilweise mechanisiert wurde.
So brachten dann auch die Krämpel- und Walkmühlen für die Textilproduktion den Übergang vom reinen Handwerk zur mechanisierten Produktion.


1502 war der "Papierer" Bonat aus dem Elsass nach Mühlhausen gekommen und baute am Popperöder Bach die erste Papiermühle der Stadt.., die spätere Rote Löwenmühle.
Auch bei der Papierherstellung war noch Handarbeit gefragt, aber auch hier waren mehrere Arbeitsgänge schon mechanisiert und den Antrieb der Stampf- und Rührwerke übernahm jetzt das Mühlrad.
Bei den "Mühlenknechten" deutete sich jetzt auch schon der Übergang zum Lohnarbeiter an. Sie wohnten oft nicht mehr beim Arbeitgeber, sondern wohnten in der Stadt.



Im 18. Jahrhundert zeichnete sich auch in Mühlhausen der teilweise Übergang zur Massivbauweise ab. Neben dem Steinmetz und Maurer, gab es jetzt auch die Dachdecker.
Dachziegeln wurden bereits im Mittelalter für die Dächer vorgeschrieben und wurden in den Ziegeleien vor der Stadt gebrannt und auch die Backsteine für den Schornsteinbau wurden hier hergestellt.
Am Ziegelsberg, der heutigen oberen Grünstraße, stand vom 14. bis 19. Jahrhundert die Ziegelhütte mit dem Kalkofen.



Noch bis in das 19. Jahrhundert gehörte das Gesellenwandern zum guten Handwerkerbrauch.
Nach der Freisprechung nach bestandener Lehre ging der junge Geselle auf die "Walz". In den meisten Städten gab es Zunftherbergen der einzelnen Handwerkszünfte. Dort sprach der Geselle vor und dort vermittelte ihm der Altgeselle einen Meister, wo er arbeiten und wohnen konnte.
Neben der Handwerker-Kundschaft - eine Art Wanderpass - gab es oft auch noch berufstypische Erkennungssprüche und -zeichen, mit denen man sich beim Herbergsvater, beim Altgesellen oder beim Meister vorstellte.


Nebenstehend eine Handwerker-Kundschaft aus der noch Freien Reichsstadt Mühlhausen vom Ende des 18. Jahrhunderts.
In der Stadt gab es mehrere Zunftherbergen, so auch die "Feile" für Schlosser und Schmiede in der heutigen Eisenacher Straße.
Fand der Wandergeselle keine Arbeit, konnte er eine Nacht in der Zunftherberge übernachten und in einigen Gewerken gab es sogar noch einen Geleitbatzen für die Wegzehrung am nächsten Tag.
Allein am Obermarkt gab es Mitte des 19.Jahrhunderts noch drei Zunftherbergen. Der "Goldene Löwe" für die Schneider und Gerber, die "Goldene Sonne" für die Tischler und der "Rote Ochse" für die Metzger und Drechsler.

Sowohl die Lehrlinge, wie auch die Gesellen hatten damals Kost und Logie bei ihrem Meister .. allerdings war damals oft "Schmalhans Küchenmeister" .. und die Logie bestand oft aus einem einfachen Lager in einer Abstellkammer oder auf dem Dachboden.
Nach einem 10 - 12-stündigen Arbeitstag von Montag bis Samstag stand den Gesellen in der Woche selten der Sinn zum feiern. Dafür wurde dann am Sonntag meist in die Zunftherberge eingekehrt und manchmal ergab sich daraus ein "blauer Montag".
Die Werkstatt befand sich im Haus des Handwerkers, oft im Seitenflügel auf dem Hof. In den kleinen Gassen waren aber oft Wohn- und Arbeitsbereich garnicht getrennt.

So war bei den immer noch zahlreichen Handwebern auch im 19. Jahrhundert die Schlafstelle im Arbeitsraum keine Seltenheit.
Zwar ließen jetzt die neuen Textilfabrikanten immer mehr Arbeiten in den Spinn-, Krämpel- und Walkmühlen verrichten, aber 1853 gab es immer noch 134 Handweber in der Stadt.
Mit den neuen Textilfabriken, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Stadt entstanden, kam aber nach und nach das Ende der Handweberei und die Weber mußten jetzt als Fabrikarbeiter ihr Brot verdienen.

Auch in den übrigen Gewerken wirkten sich die neuen Wirtschaftsformen aus. Mit der Aufhebung des Zunftzwanges konnten jetzt die Fabrikanten neue Manufakturen gründen, in denen zwar erst noch die Handarbeit vorherrschte, die aber nach und nach von der Maschienarbeit abgelöst wurde.
Jetzt kaufte man Bekleidung und Wäsche immer mehr in den neuen Textilgeschäften, wobei sich allerdings die Maßschneiderei noch lange hielt.

Auch für die Schuhmacher kam eine neue Zeit. Neue Schuhfabriken und neue Schuhgeschäfte boten jetzt preiswerte Schuhe an.
Aus dem Schuhmacher wurde der Flickschuster, der fast nur noch Schuhe reparierte.
Der "Lehrbub" musste oft musste oft erfahren, daß Lehrjahre keine Herrenjahre waren und machte beim Schuster auch schon mal Bekanntschaft mit dem Knieriemen.

Auch in der Tischlerei änderte sich das Kaufverhalten. Die Betriebe stellten jetzt die Möbel oft nicht mehr auf Bestellung, sondern auf Vorrat zum Verkauf her.
Oft hatten dann die Handwerksmeister einen kleinen Möbelladen und die Tischlerwerkstatt befand sich dann auch schon meist in einem eigenen Anbau.



Die Bäcker blieben lange Zeit von dieser Modernisierung verschont. Waren es 1599 insgesamt 61 Bäcker in der Stadt, führte das Adreßbuch von 1943 immer noch 68 Bäckereien auf.
Während die Bäcker früher ihre Ware in der Brotlaube am Obermarkt verkauften, konnten sie seit Anfang des 19. Jahrhunderts diese dann im eigenen Laden anbieten.Auch die Lohnbäckerei war lange üblich. Die Kunden brachten ihren Zwetschgenkuchen oder die Plätzchen und den Weihnachtsstollen fertig vorbereitet zum Bäcker, der sie gegen ein geringes Backgeld in den großen Bäckerofen schob.

Auch die Fleischer konnten oft bis heute ihr Gewerbe erhalten.
1599 waren es 86 Fleischhauer in der Stadt, die erst an offenen Fleischbänken am Fleischmarkt und dann im Fleischhaus am Obermarkt ihre Ware anboten.
Auch hier kamen dann im 19. Jahrhundert die ersten Fleischerläden auf. In Mühlhausen war aber auch noch lange die Hausschlachterei zu hause, denn viele Bürger hielten sich ein oder mehrere Schweine im Schweinekoben am Hinterhof und das Schlachtefest war ein beliebtes Fest für jung und alt.


Mit der Aufhebung des Zunftzwanges gingen auch viele Regelungen und Gebräuche im Handwerk verloren. Ende des 19. Jahrhunderts kam das Gesellenwandern immer mehr aus der Mode. Jetzt wohnte der Geselle mit seiner Familie in der Stadt, wo er entweder beim Handwerksmeister oder in der Fabrik arbeitete.
Zunftherbergen gab es nicht mehr und in den christlichen Herbergen mußte man für Übernachtung und Kost zahlen. Wer kein Geld hatte, wurde abgewiesen.
Aus den Wandergesellen wurden jetzt oft Tippelbrüder und Landstreicher, die ohne Hoffnung auf Arbeit und Unterkunft unterwegs waren.

Im Bau erfolgte die Strukturänderung ebenfalls ab Mitte des 19. Jahrhunderts. So gab es 1875 noch 23 Maurermeister mit bis zu 5 Beschäftigten, aber auch schon 5 Baubetriebe mit bis zu 50 Beschäftigten. Hier waren dann oft auch schon die verschiedenen Baugewerke - wie Maurer, Zimmerer, Bautischler usw. - zusammen gefasst.
Die Wochenarbeitszeit betrug im Durchschnitt = 66 Stunden und der Wochenverdienst der Maurer lag 1880 bei 12 Mark.
Damals entstanden in der Stadt sowohl neue Fabriken und Fabrikantenvillen, aber in den neuen Vorstadtstraßen auch zahlreiche Miethäuser für die ständig ansteigende Bevölkerung.



Das Handwerk war zwar jetzt nicht mehr die erste Produktivkraft, spielte aber immer noch eine wichtige Rolle in der Absicherung der Bedürfnisse derBevölkerung.
Schmied und Schlosser, Maurer und Zimmermann, Tischler und Drechsler, Schuster und Schneider, Bäcker und Fleischer ...., alles Berufe.., die aus dem täglichen Leben nicht weg zu denken waren.
Statt der Zunft, war es jetzt die Handwerkskammer, in der die Meister nach Gewerken zusammen gefasst waren.
Gesellen- und Meisterprüfungen fanden aber noch wie eh und je statt.



Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auch in vielen Handwerksbetrieben Maschinen mit Elektroantrieb eingesetzt.
In der Tischlerei waren das vorrangig Kreis- und Bandsäge, Abricht- und Dicktenhobelmaschine, Tischfräse, Bohr- und Schleifmaschine.
Trotzdem waren die Handsäge und der Hobel immer noch gefragt.
1943 gab es noch 5 Bau- und 48 Möbeltischlereien in der Stadt, aber auch 5 Möbelfabriken. Während in den Handwerksbetrieben neben der Einzelanfertigung auchdie Kleinserie üblich war, wurde in den Möbelfabriken meist in großen Serien produziert.

In der DDR-Zeit wurden ab 1958 immer mehr Handwerker in PGH´s (Produktionsgenossenschaften des Handwerks) zusammen gefasst. Aber besonders bei Bäckern, Fleischern und Friseuren blieb der kleine Handwerksbetrieb noch lange erhalten.
In den siebziger Jahren wurde dann ein Teil der großen PGH´s in volkseigene Betriebe (VEB) umgewandelt.
Trotz allem.., Arbeitsplätze gingen hierdurch nicht verloren, sondern wurden im Gegenteil meist aufgestockt.


Mit der Wende hatte man eigentlich auf ein Aufblühen des Handwerks gehafft. Aber für die PGH´s und viele kleine Handwerker bedeutete die Marktwirtschaft das Ende.
Möbeltischler, Schlosser, Schneider, waren nicht mehr gefragt und auch die kleinen Bäcker- und Fleischergeschäfte wurden immer mehr von Großbetrieben verdrängt.
Im Baugewerbe brachte die bessere Bereitstellung von Baumaterial und der hohe Sanierungsbedarf eine Verbesserung und auch die Kfz-Schlosser hatten jetzt mehr Arbeit als früher.
Trotzdem..., die Zeiten, als das Handwerk noch goldenen Boden hatte, waren wohl endgültig vorbei ..

In der Zöllnersgasse hat der Gerbermeister Stölker noch seine Werkstatt.
Er ist der letzte Gerber weit und breit ..
Mit ihm wird dann auch bei uns ein weiteres Gewerbe aussterben, das früher unserer Stadt zum Wohlstand verholfen hat.

Die Vielfalt an Produkten, die das Handwerk früher absicherte, wurde durch die Vielfalt des Angebotes in den großen Märkten und im Versandhandel abgelöst.
Der kleine Handwerker ist da heute nicht mehr gefragt.


Eine alte Aufstellung der Zunftwappen zeigt die Vielfalt der ehemaligen Gewerke und Zünfte im Handwerk..
Eine Vielfalt, die es so nie wieder geben wird ..

Vielfach waren es die alten Werkzeuge des jeweiligen Gewerkes, die das Zunftwappen zierten. Aber auch die Erzeugnisse, wie die Brezel beim Bäcker, zeigten dem Kunden an, zu welcher Zunft man gehörte, denn oft zierte das Zunftzeichen als geschmiedetes Aushängeschild das Haus des Handwerkers.

.. ja.., ja.., auch einige alte Ausdrücke verdanken wir der Handwerkerzeit ..
Ein ungehobelter Mensch .., war eigentlich einer, der seine "Gesellenweihe" noch nicht erhalten hatte .., denn nach der Lossprechung durch die Zunftmeister, wurde der Junggeselle erst einmal von den übrigen Gesellen "geschliffen" und "gehobelt", wobei es oft blaue Flecken gab.
Mit einem zünftigen Gesellentrunk wurde dann die Aufnahme in die Bruderschaft begossen.