Montag, 6. Dezember 2010

67) 50 Jahre Petrischule

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50 Jahre Petrischule ... ???

Smiley hört schon die lautstarken Proteste von allen Seiten.., denn die Petrischule hatte ja schon 1994 ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert ..

Na ja..., aber der Autor dieser Zeilen und seine Familie haben eben diese Schule nur in den ersten fünfzig Jahren ihres Bestehens genossen .. und auch hier gilt eben der Grundsatz, nur über das zu schreiben, wo man halbwegs Bescheid weiß ..

Am Anfang stand ja erst einmal die im 14. Jahrhundert gebaute Petrikirche, zu der wohl schon im 16. Jahrhundert eine Küsterschule gehörte.
Damals waren die Vorstädte noch relativ wenig bebaut und zur Vorstadt Petri-Margarethen gehörten etwa 170 Häuser am Blobach, am heutigen Petristeinweg, der Schaffentorstraße und der Ammerstraße
Eine Schulpflicht gab es noch nicht. Begüterte Bürger schickten ihre Söhne aufs Gymnasium in der Neuen Straße..., aber in den Vorstädten wohnten damals sowieso nur die einfachen Leute, die ja auch kein volles Bürgerrecht hatten.








Als Mühlhausen dann 1802 preußisch wurde, gab es sowohl für Jungen, wie auch für Mädchen, schon die Schulpflicht und 1838 wurde an der Ecke Petristeinweg - Petriteich die alte Petrischule gebaut.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Vorstädte weiter und auch in der Vorstadt Petri-Margarethen entstanden neue Straßen.
Es entstanden neue Fabriken, wie die Lederfabrik Stephan im Johannistal und die Metallwarenfabrik Franke hinter der Harwand und es entstanden zahlreiche neue Wohnhäuser. Die Einwohnerzahl der Stadt hatte sich um 1900 fast verdreifacht.



Wilhelm Busch hatte in seinen Bildergeschichten mal einen Blick in den Unterricht von damals geworfen.
Der Rohrstock gehörte zu den wichtigsten Mitteln, um Zucht und Ordnung durchzusetzen.
In der "neuen" alten Schule waren jetzt die Klassen nach Jungen und Mädchen getrennt, aber nicht mehr als Ein-Klassen-Schule, sondern bereits nach dem Alter der Schüler gestaffelt.
1868 bekam dann auch die Petrischule einen eigenen Rektor.



Am 3.9.1894 wurde dann die neue Petrischule am Petriteich eröffnet.
Das stattliche Gebäude war ebenfalls nach Jungen und Mädchen getrennt. Die Trennung galt dann ebenso für den Pausenhof und für den Toilettenbau. Die Turnhalle wurde im Wechsel genutzt.
1896 kam dann noch die städtische Koch- und Haushaltungsschule (rechts auf dem Hof) hinzu, in der etwa 100 Schülerinnen aus der Stadt an das Leben als Hausfrau herangeführt werden sollten.



Die Erziehung hatte damals die "preußischen Tugenden" - Zucht, Gehorsam, Gottesfurcht und Liebe zum Vaterland - als Ziel.
Erst wenn man "gedient" hatte, war man so ein richtiger deutscher Mann. Dementsprchend bekamen die Jungen kleine Soldaten und Kanonen zum Spielen, während die Mädchen noch mit Puppen und Puppenstuben spielen durften.
Natürlich waren die "besseren Familien" bemüht, ihre Kinder auf die "höhere Schule" zu schicken, aber in den Vorstädten wohnten ja nach wie vor überwiegend Arbeiterfamilien.






Die Lesebücher waren damals noch voller Gedichte, Balladen usw., welche die Schüler dann zu hause zu lernen hatten.
Außer dem Lesebuch, in dem es manch erbauliches Geschichtlein gab, hatte man dann noch ein Rechenbuch .... und das genügte erst einmal.
Erdkunde und Naturkunde wurden meist nur in groben Zügen behandelt, viel wichtiger waren Geschichte, Religion und Musik.
Turnen war erst in letzter Zeit interessant geworden, weil man erkannt hatte, daß ein guter Soldat auch einen gesunden Körper brauchte.
Übrigens ... Geschichte ... hier kam es damals darauf an, daß man möglichst alle preußischen Könige und Kaiser und die Jahreszahlen der Kriege und berühmten Schlachten aufzählen konnte.






Um 1900 hatte sich auch die Fotografie immer mehr durchgesetzt und es entstanden die ersten Familien- und Klassenfotos.
Übrigens wurden damals auch oft mehrere Klassen auf den Fotos verewigt und es war schon ein besonderes Ereignis, wenn der Mann mit dem großen Kasten kam.






Hier ein Foto der sechsten Klassen der Petrischule aus dem Jahre 1904, das auf dem Schulhof entstand und auf dem meine Mutter Ida Körber (Jg.97) zu sehen ist.. Meine Großeltern wohnten damals am Petristeinweg und so war es folgerichtig, das meine Mutter in die Petrischule kam. Auch die Mädchen, die ja überwiegend Lehrerinnen hatten, wurden nach den "bewährten" preußischen Grundsätzen erzogen .. und auch hier gab es neben dem üblichen Backpfeifen auch mal den Rohrstock zu spüren. Da wurde noch darauf geachtet ob Hände und Fingernägel sauber waren.. und zum Unterricht hatte man aufrecht und mit gefalteten Händen ... und natürlich still zu sitzen ..

1906 ging der Rektor der Petrischule. Herr Renneberg, nach 60 Dienstjahren in den Ruhestand.
Ein wichtiges Lehrbuch war damals das Realienbuch..., ein Buch, das sich aber nicht jeder leisten konnte ..
Geschichte, Erdkunde und Naturkunde ( vorrangig Biologie und Physik) wurden hier zusammengefasst geboten.
Hier gab es dann auch schon, meist als Zeichnungen, die ersten Bilder in den Lehrbüchern.
Für die Arbeiterkinder reichte es aber meist, wenn sie Lesen, Schreiben und Rechnen konnten .. und wenn sie gute Noten in Fleiß, Ordnung und Betragen hatten.






Am 1.August 1914 begann der 1.Weltkrieg. Viele Väter wurden eingezogen und kamen an die Front. Es dauerte nicht lange und es kamen die ersten Verwundeten zurück.
Neben verschiedenen großen Saalgaststätten, wurden auch mehrere Schulen als Lazarett für die Verwundeten eingerichtet.
Gehorsam und Pflichterfüllung kostete 1335 Mühlhäusern das Leben und tausende wurden verwundet.
Im Februar und März 1917 wurden alle Schulen wegen Kohlenmangel geschlossen. In den letzten Kriegsjahren kam es dann immer wieder zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung und die Schulkinder mußten Ähren und Bucheckern lesen gehen.
Auch in den Nachkriegsjahren herrschten noch Kohlen- und Lebensmittelmangel.
1919 wurden dann in den Schulen die Bilder der preußischen Kaiser aus den Klassenzimmern entfernt und die alte Petrischule an der Ecke Petristeinweg wurde zu Wohnungen ausgebaut.

1914 war die Sütterlin-Schreibschrift in Preußen eingeführt worden.
Die nebenstehende Schreiblesefibel für die Grundschule "Fröhliche Arbeit in neuem Kleid" stammt aus dem Jahre 1925.
Mit vielen bunten Bildern und kleinen Geschichten führte sie die ABC-Schützen in die Lese- und Schreibkunst ein.
Und auch die ersten Reime gab es hier schon zum lernen..., wie das Gedicht von der kleinen Hex.., die morgens früh um sechs kam ..
.. oder das Kinderlied vom Mond ... "Wer hat die schönsten Schäfchen.., die hat der goldne Mond .."
.... Gedichte und Lieder, die heute längst vergessen sind ..





Noch bis Mitte der dreißiger Jahr waren Schiefertafel und Schiefergriffel die wichtigsten Schreibgeräte in den unteren Klassen. Schwamm und Tafellappen gehörten dann auch noch dazu.
Erst in den folgenden Klassen wurden dann Federhalter und Schreibhefte benutzt. Die Tinte gab es in den Tintenfässern der Schulbänke.
Die Schreibutensilien gab es in dem kleinen Schreibwarenladen der Frau Wagner, gleich neben der Schule am Petriteich 15.



Übrigens ..., dort gab es auch die beliebten Abziehbilder und Glaserte und Märmel. Damit spielte man damals nicht nur auf den Bürgersteigen, sondern oft auch auf dem Schulhof, denn so ein paar Märmel, Glaserte oder Nickelditschen gehörten in jede Hosentasche.






Hier ein Foto der Klasse 4a von Lehrer Höpel im Jahre 1930 mit meinem ältesten Bruder Helmut Körber (Jg.19).
Bei vier Schülern in einer Bank und insgesamt 10 Bänken in der Klasse, bestand damals so eine Klasse aus vierzig Schülern.
Natürlich durfte ein Flottenbild von der Skagerak-Schlacht nicht in der Klasse fehlen ..., aber noch gab es einen Adventskranz.



Die Zeit der Weimarer Republik war auch in Mühlhausen immer noch vom preußischen Geist geprägt. (Mühlhausen gehörte ja immer noch zum Regierungsbezirk Erfurt in der preußischen
Provinz Sachsen)
Na... und Uniformen und Marschmusik gehörte auch immer noch zu den "guten" deutschen Traditionen.





In den neuen Realienbücher gab es jetzt auch immer mehr Fotos und auch der wissenschaftliche Inhalt wurde verbessert.
Trotzdem war das Realienbuch keine Pflichtliteratur für die Volksschulen und nur wenige Schüler besaßen ein solches.

Damals waren die Bücher von Karl May und auch die Groschenhefte über John Kling und Rolf Torring viel interessanter für die Jungen.
Was so ein richtiger Indianer war, der mußte tapfer, mutig und edel sein ..., eben so ein richtiger kleiner Held ..






In den dreißiger Jahren kam dann eine neue Zeit auch an den Schulen.
Mit den Nazis zog ein neuer Geist in den Unterricht ein. Anfangs begann das Morgengebet noch mit "Gott schütze den Führer ....", aber dann fielen die konfessionellen Schulen weg und damit auch der Religionsunterricht und die Morgengebete.
Später fiel auch die Sütterlinschrift wieder weg und wurde durch die Deutsche Normalschrift ersetzt.
Das Deutschtum bekam jetzt ganz neue Züge .., der deutsche Junge und das deutsche Mädchen waren möglichst blond (so wie die alten Germanen) ...
Jüdische Kinder wurden nicht mehr in der deutschen Schule geduldet und mußten in ihrer Gemeinde unterrichtet werden.







Auf den Wandertagen wurde dann der Klassenwimpel mitgeführt, wie hier 1934 mit Lehrer Höpel und der Klasse meines Bruders Heinz Körber (Jg.21).
Manöverspiele dienten dann schon mal der Wehrertüchtigung, die dann im Jungvolk und der Hitlerjugend vervollkommnet wurde.
Rektor der Petrischule war damals Herr Helmbold.





1934 war Lehrer Leineweber noch in Zivil, aber später als Konrektor trug er an den politischen Feiertagen die braune Uniform des Ortsgruppenleiters.
Zum Lehrerstamm gehörten damals die Herren Mögling, Höpel, Gottschalk, Elendt und Thys und die Frauen Eiche, Grau und Leithäuser.
Von 1937 bis 1945 ging ich (Jg.31) dann auch in die Petrischule.
Wir wohnten zwar ab 1938 in den Volkswohnungen der Sachsensiedlung und so war es schon ein recht langer Schulweg. Omnibusse fuhren hier damals nur für die Arbeiter des Gerätebaues im Stadtwald.

1939 wurde die Petrischule in Dietrich-Eckardt-Schule umbenannt und auch die anderen Schulen der Stadt erhielten neue Namen..., die Oberschule wurde sogar zur "Deutschritterschule" ..
Mit zehn Jahren ging der deutsche Junge damals ins Jungvolk, wo er schon mal auf seine spätere Rolle als Soldat vorbereitet wurde.
Auch zum Fahnenappell der Schule hatte man in Uniform zu erscheinen.





Auch meine Schwester Liesbeth Körber (Jg.24) ging damals in die Petrischule.
Die Mädchen wurden im Bund deutscher Mädchen (BdM) zusammengefasst und sollten unter dem Jugendwerk "Glaube und Schönheit" auf ihre Rolle als "deutsche Frau und Mutter" vorbereitet werden.
Nach der Schule mußten die Mädchen dann ein Pflichtjahr ableisten, entweder als Erntehelferinnen oder als Haushaltshilfen.




Der Sport nahm eine wichtige Rolle im Unterricht ein und aus dem Keulenwurf wurde dann auch schon mal der Handgranatenweitwurf.
Es dauerte dann nicht lange und die ehemaligen Schüler der Petrischule mußten dann richtige Handgranten werfen.... der zweite Weltkrieg hatte im September 1939 begonnen ..!!
Nach der Schulzeit wurden die "Pimpfe" in die Hitlerjugend (HJ) übernommen ... und wurden später oft als Flakhelfer u.ä. eingesetzt.
Eigentlich sollte der junge Mann ab 18 Jahren in den Reichsarbeitsdienst (RAD), aber im Kriege wurden dann viele gleich zur Wehrmacht eingezogen und an die Front geschickt. Zu den 1.889 gefallenen Mühlhäusern, gehörten auch meine beiden Brüder.







In den letzten Kriegsjahren wurde die Petrischule wieder als Lazarett genutzt und wir mußten jetzt in die alte Nikolaischule an der Körnergasse gehen, wo der Unterricht im Schichtbetrieb abgewickelt wurde.
Oft fiel der Unterricht aber ganz aus, weil es immer öfter Fliegeralarm gab. Man hörte jetzt deshalb im Volksempfänger statt der bisherigen Sondermeldungen vorwiegend die Luftlagemeldungen. Unser Klassenlehrer, Herr Thys, war in den letzten Kriegsmonaten noch zur Verstärkung des Westwalls dienstverpflichtet worden, aber bald zeigte sich das Ende des Krieges ab.

Im April 1945 dann das Ende ..
.. das Ende meiner Schulzeit ...und im Mai das Ende des zweiten Weltkrieges und damit das Ende einer Zeit, die Millionen Opfer in ganz Europa gefordert hatte ..
.. noch im Jahre 1945 erhielt dann die Petrischule ihren alten Namen wieder ...
.. und wieder kehrte eine neue Zeit ein ..
.. aber das ist eine neue Geschichte ...





.... 50 Jahre Petrischule ...
.. Smiley findet, daß es ganz schön verrückte Jahre waren .. und daß der Schule und ihren Schülern solche Zeiten hoffentlich ein für alle mal erspart bleiben.
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Übrigens ...,
.. zur Geschichte der Schulen in Mühlhausen hatte ich schon im Spot-Nr.9 einen kleinen Beitrag geschrieben ...
.. Wenn es interessiert ..., einfach mal reinschauen ...
.. und die Gesamtübersicht über die bisher 67 Beiträge findet man im Spot-Nr.1 ... also ganz am Anfang dieser Reihe ..
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2 Kommentare:

  1. Das ist ein absolut interessanter Beitrag, den ich meinen Studenten zur "Geschichte der Grundschule" empfehlen werde.
    Danke für die Mühe mit den Fotos und den lebendigen Berichten!
    Man kann sich aus Ihren Schilderungen die damalige Zeit vorstellen.

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  2. Per Zufall bin ich auf diesen Blog gestoßen und ich bin begeistert! Auch ich (JG 56) bin in die Petrischule gegangen. Leider komme ich nur noch sehr selten nach Mhl aber ich bin froh, diesen Blog gefunden zu haben. Meine Hochachtung! Ich weiß sehr gut, dass hier sehr viel Arbeit dahinter steckt. Macht bitte weiter so, diese Seite befindet sich jetzt in meinen Favoriten. Sicher wird es noch eine Weile dauern, bis ich alles gesehen habe. An dieser Stelle sei mir noch ein Gruß an Thomas P. erlaubt, ich kenne ihn aus der Kindheit in der Tilesiusstraße.

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