Mittwoch, 26. Mai 2010

52) - 30 Jahre Hotel Stadt Mühlhausen -

.
30 Jahre Hotel Stadt Mühlhausen ..,

.. eigentlich ist schon die Überschrift falsch, denn das Hotel Stadt Mühlhausen war ja nur von 1969 bis 1998 geöffnet, aber wenn man den Baubeginn im Jahre 1968 hinzurechnet, dann hat auch Smilie als mein historischer Begleiter nichts mehr auszusetzen.


Na ja.., eigentlich beginnt die Geschichte des Hauses schon viel, viel früher.
So gab es schon im 13. Jahrhundert laut dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch in der Stadt Tavernen, die damals schon überwiegend an den Marktplätzen lagen.
Der Goldene Engel am Untermarkt wurde in der Stadtchronik 1644 erstmals erwähnt, dürfte aber wesentlich älter gewesen sein. Der historische Tonnenkeller des Hauses stammte aus dem 13. Jahrhundert.


Nach dem Stadtbrand von 1707 wurde der Goldene Engel neu aufgebaut und 1824 von Altenburg wie folgt erwähnt:
".. Der goldne Engel, auf dem Töpfermarkt, ist jetzt ein guter Gasthof; die Wirthin ist die Frau Witwe Gier .."
Neben den Händlern und Kaufleuten, die hier am Markt der Unterstadt logierten, waren es besonders die gut situierten Bürger, die hier zum Dämmerschoppen einkehrten. Manche ließen sich dann zur Sperrstunde von ihrem Hausdiener "heimleuchten".

Als um 1870 das Foto vom Untermarkt mit der noch vorhandenen Hauptwache entstand, war aus dem Goldenen Engel im Hintergrund bereits der Engliche Hof geworden.
1911 inserierte die Witwe Maasberg im Führer durch Mühlhausen: ".. Englischer Hof .. Hotel ersten Ranges ..in bester Lage der Stadt .. Vorzügliche Betten .. Anerkannt gute Küche .. Gutgepflegte Weine ..Telephon Nr.60 .."

Aus dem Englischen Hof wurde dann der Kaiserhof, der später nach dem Besitzer Paul Schlenker als Hotel Schlenker bezeichnet wurde.
Nachdem bereits 1904 ein Brand das Dachgeschoß stark beschädigte, brannte das Haus durch ein Feuer im Jahre 1941 fast völlig aus.
1959 übernahm die HO Mühlhausen das Hotel Schlenker, das auch unter diesem Namen weitergeführt wurde.

1967 begannen dann die Vorarbeiten für den Bau des Hotel Stadt Mühlhausen.
Als Abteilungsleiter Technik/Rationalisierung war ich sowohl für die Ausarbeitung der Vorbereitungsunterlagen, sowie für die folgende Planung, Finanzierung und Durchsetzung der Maßnahme verantwortlich.
Dem Rat des Bezirkes Erfurt wurden zwei Varianten vorgelegt:
1. - Ausbau des Hotels und der anliegenden Gebäude am Wilhelm-Pieck-Platz.
2. - Erweiterung des vorhandenen Hotels durch einen mehrgeschossigen Neubau am Wilhelm-Pieck-Platz.

Der Vorsitzende des Rates des Bezirkes stimmte der zweiten Variante zu und damit war der Startschuß für den Hotelneubau als Initiativmaßnahme gegeben.
In der HO Mühlhausen wurde ein Aufbaustab gebildet, der unter meiner Leitung die Vorbereitung und Durchführung absicherte.
Ein zentraler Aufbaustab mit Vertretern des Rates des Kreises und der Stadt, der beteiligten Betriebe und der SED-Kreisleitung, kam anfangs wöchentlich zusammen, um alles zu koordinieren.

Umfangreiche Vorbereitungsunterlagen, wie die Technisch-Ökonomische Zielstellung (TÖZ)und und die noch umfangreicheren Projekte und Unterlagen zur Grundsatzentscheidung (GE) mußten ausgearbeitet, abgestimmt und von allen zuständigen Stellen geprüft werden, ehe sie dann den Segen von ganz oben bekamen.

Die bautechnische Projektierung erfolgte durch die Kreisbauleitung. Projektverantwortlicher war der Architekt Rolf Huhn. Die technologischen Projekte (Einrichtung und Ausstattung, technische Einrichtungen - wie Küche, Kühlanlagen,
Aufzüge, Telefon usw., usw. -) wurden in Abstimmung mit den beteiligten Betrieben überwiegend selbst erstellt, ebenso die Ausarbeitungen zur Betriebs- und Leitungsorganisation, sowie die Kosten-Nutzens-Rechnung.









Bereits 1967 wurden die Vorbereitungen für den Baubeginn getroffen. Die zum Abriss vorgesehenen Häuser mußten geräumt werden, wobei den Familien entsprechende Wohnungen zur Verfügung gestellt wurden und der Umzug übernommen wurde.
Auch dem Friseurgeschäft Hottop wurde am Wilhelm-Pieck-Platz ein neuer Gewerberaum zur Verfügung gestellt und eingerichtet.
Die wenigsten Probleme bereitete die Umlagerung der Elite-Drogerie ..., die gehörte ja schon zur HO. (Aber der neue Laden mußte ja auch neu eingerichtet werden)

Am 8.1.1968 wurde dann der Bauzaun vom VEB
Wohnungsbaukombinat Erfurt, Betriebsteil Mühlhausen, aufgestellt und ein paar Tage später begannen die Abrissarbeiten. Die stillgelegte Tankstelle wurde als Bauarbeiterunterkunft genutzt.




Im Frühjahr 1968 begannen dann die Arbeiten an der Baugrube, wobei sich auch bald die ersten Schwierigkeiten zeigten.
Während ein Teil des Untergrundes aus äußerst festem Travertin bestand, der den Einsatz von Preßlufthämmern erforderlich machte, gab es auf der Nordseite einen wasserführenden Einschnitt, der mit Beton verfüllt
werden mußte.







Der vorgesehene Ablaufplan konnte
aber weitgehend eingehalten werden und am 26.7.1968 erfolgte die Grundsteinlegung für den siebengeschossigen Erweiterungbau.
HO-Direktor Albert Fischer verlas die auf Pergament geschriebene Gründungsurkunde, die in einer luftdichten Schatulle in der Grundmauer ihren Platz fand und der 1.Kreissekretär der SED nahm mit den obligatorischen drei Hammerschlägen die Grundsteinlegung vor.
Das anschließende Sektfrühstück fand dann in der Baugrube statt.

In den folgenden Wochen wurden die Arbeiten am Keller- und Erdgeschoss des Erweiterungsbaues durchgeführt, um die Voraussetzungen für den Montagebau zu schaffen.

Am 15.10.1968 rückte dann der Baukran Rapid des Wohnungsbaukombinats an, nachdem die Arbeiten am Erdgeschoss soweit abgeschlossen waren.
Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Die sechs Obergeschosse des Hoteltrakts waren ja in Plattenbauweise geplant worden, so daß der Erweiterungsbau zusehends wuchs.
Am Zwischentrakt zwischen Alt- und Neubau und am Wirtschaftstrakt auf der Hofseite, durfte allerdings während der Montage nicht gebaut werden, so daß hier einiges aufzuholen war.


Am 10.12.1968 fand dann das Richtfest für den Neubautrakt statt.
Der Abteilungsleiter Gaststätten, Joachim Haferung, hielt die Eröffnungsansprache und der Brigadier Kollascheck vom WBK sprach den Richtspruch, während der Baukran die Richtkrone auf das Dach beförderte.
Das Richtfest sah dann sowohl die beteiligten Bauarbeiter und HO-Mitarbeiter, wie auch manchen Unbeteiligten, im Altbau des Schlenkers zusammen.

Die eigentlichen Bauarbeiten wurden vorwiegend durch den VEB Wohnungsbau Erfurt, BT Mühlhausen, die PGH Bau und die Firma Hochhaus KG durchgeführt.
Für den Innenausbau waren dann die Betriebsteile des WBK, die PGH Sanaro, PGH Drei Schilde, PGH Raumgestaltung, VEB Telelux, VEB Aufzugsbau Berlin, VEB RFT-Fernmeldebau Erfurt, VEB Kühlanlagenbau und weitere vorgesehen.
Ein Ablaufplan sollte den zeitlich abgestimmten Bauablauf sichern, aber es kam auch ab und zu etwas dazwischen, was dann durch Sondereinsätze aufgeholt werden mußte.
Nach dem Abbau des Drehkranes sollte es eigentlich am Wirtschafts- und Zwischentrakt zügig weiter gehen, aber da machte der strenge Winter einen dicken Strich durch den Ablaufplan, so daß erst Ende März 1969 richtig weiter gearbeitet werden konnte.
Zwar wurde mit einem "Ofenwagen", der warme Luft in den Naubau- und Zwischentrakt pustete, ein Teil der Ausbauarbeiten abgesichert, aber es blieb doch allerhand aufzuholen.
Und dann immer wieder die Materialschwierigkeiten, die so ein nicht bilanzierter Initiativbau mit sich bringt. Das kostete schon einige Nerven.

Aber immer wieder wurden Lösungen gefunden, wenn wir auch
oft durch die halbe DDR fahren mußten, um Fliesen und anderes Material, Einrichtungen, Hotelausstattung usw. usw. zu beschaffen.
Die Ausbau- und Einrichtungsarbeiten gingen irgendwie voran, oft allerdings durch Sonderprämien u.ä. angespornt, denn das große Ziel war ja von Anfang an der 20. Jahrestag der Republick.
Inzwischen wurde auch der Wilhelm-Pieck-Platz umgestaltet und mit den letzten Straßenbahnen, kam dann auch das AUS für die Unterstadtlinie.

Am 7.10.1969, dem 20. Jahrestag der Republik, erfolgte dann die feierliche Übergabe und Eröffnung
des neuen HO-Hotel Stadt Mühlhausen. Vertreter des Rates des Bezirkes und der HO-Bezirksdirektion, der örtlichen Organe usw., usw., waren anwesend und des Lobes voll über das Geschaffene.




Na und so ein bißchen stolz waren wir schon.
Das erste Millionenobjekt der HO Mühlhausen, selbst entworfen,
geplant und trotz vieler
Schwierigkeiten termingerecht durchgesetzt, das war schon was...

Die Kollegen der Abteilung Technik wurden erneut als Brigade der sozialistischen Arbeit ausgezeichnet, hatten aber dann im Altbau des ehemaligen Schlenker noch einiges zu tun, denn hier war ein Teil der Ausbauarbeiten erst mal zurück gestellt worden.



Aber dann war doch alles geschafft.
Das Hotel Stadt Mühlhausen war jetzt das erste Haus am Platze.
Mit 120 Hotelbetten, Hotelrestaurant, Bierstube, Tanzbar und Konferenzräumen, bot das "Hostamü" für jeden etwas.
Später kam dann noch ein Intershop hinzu, der ja eigentlich für die Westgäste gedacht war, aber soweit Westverwandschaft vorhanden war, auch von der hiesigen Bevölkerung gern genutzt wurde.
Alles in Allem.., wir hatten für die damalige Zeit etwas besonderes geschaffen..!












Ja und dann gingen die Jahre dahin ... und 1990 kam das Ende der DDR und damit auch des volkseigenen Einzelhandels - HO - und es dauerte nicht lange, da kam die Marktwirtschaft und das Hostamü schrieb jetzt rote Zahlen.
Früher als markantes Zeichen des sozialistischen Aufbaues in der Stadt bezeichnet, war das Hotel jetzt ein "sozialistischer Klotz", der unbedingt weg mußte.
Ab 1.7.1998 war das Hotel dann geschlossen. Ein Teil der Einrichtung ging an gemeinnützige Vereine und Institutionen und der Rest ging in den Müll.

Am 16.9.1998 begannen die Abrissarbeiten, um jetzt Platz für etwas besseres und für neue Arbeitsplätze zu schaffen. (Was aus den alten Arbeitsplätzen wurde interessierte keinen mehr)
Eigentlich hatte man anfangs erklärt, der historische Tonnenkeller des Altbaues sollte erhalten bleiben, aber auch das interessierte dann keinen mehr und so fielen Neubau, Altbau und historischer Keller dem Bagger zum Opfer.

Am 27.12.2000 wurde das an der Stelle des früheren Hotel Stadt Mühlhausen errichtete neue Sparkassen-Gebäude eröffnet.
Damit hat der Untermarkt - der jetzt wieder seinen alten historischen Namen hat - einen modernen Bau, in dem man zwar Geld holen kann, falls noch welches auf dem Konto ist,
aber die Zeiten im "U-Boot" waren eigentlich auch schön gewesen.
Apropo.. Geld.. Der neue Bau mit seinen 30 Millionen Gesamtkosten mußte ja schöner sein als der sozialistische Klotz, der hatte gerade mal 4 Millionen gekostet .. :-)



Übrigens ...,
hat Smilie bei Wilhelm Busch ein passendes Zitat zur obigen Geschichte gefunden:
".. Wenn mir aber was nicht lieb ..., Weg damit..! Ist mein Prinzip..!"


1 Kommentar:

  1. Lieber Herr Körber,
    ich habe mich gleich mal aufgemacht und einen Blick in Ihre "Hotelgeschichte" geworfen. Sehr interessant und informativ. Machen Sie bitte unbedingt weiter! Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau alles Gute und eine schöne Feier.

    Bernd Münzberg, stv. Landrat

    AntwortenLöschen